Die Fünf Prinzipien des Shinshin Toitsu Aikido – Ki dehnt sich aus

Die ursprüngliche Diskussion der Fünf Prinzipien des Shinshin Toitsu Aikido fand im Zoom Online Training am 12. Juni 2022 statt. Darauf folgend hatten wir im September und Anfang Oktober die Diskussionen zu den einzelnen Prinzipien, für welche die Mitschriften hier verlinkt sind:
4. Sep.: Ki dehnt sich aus
11. Sep.: Erkenne den Geist deines Partners
18. Sep.: Respektiere das Ki deines Partners
24. Sep.: Versetze dich in die Lage deines Partners
9. Okt.: Führe und bewege.

Guten Morgen, alle zusammen. 

Onegaishimasu 

Ich hoffe, dass es allen heute Morgen gut geht. Warum lesen wir heute Morgen nicht “Die Essenz des Ki”?

“Beim Zählen aller Dinge beginnen wir mit der Zahl eins. Es ist unmöglich, dass diese Eins, selbst wenn sie auf unendlich kleine Teilchen ihrer selbst reduziert wird, jemals zu Null werden kann. Denn so wie Etwas nicht aus dem Nichts entstehen kann, kann Eins nicht aus Null entstehen. Universelles Ki ist die unendliche Ansammlung von unendlich kleinen Teilchen. Dieses universelle Ki verdichtet wird zum Individuum, das weiter verdichtet zum einen Punkt im Unterbauch, und dieser wiederum unendlich weiter verdichtet, wird niemals Null. Auf diese Weise sind wir eins mit dem Universum und erkennen die Essenz des Ki.”

Egal wie oft wir Ki von Tohei Sensei oder anderen definiert bekommen, es bleibt immer noch ein kleines Rätsel. Es ist nicht einfach, es genau zu definieren. Im Grunde sagt Tohei Sensei, dass Ki alles ist, was es gibt. Wenn wir mit einem Physiker sprechen, wird er sagen dass es Zellen gibt, dann Moleküle, Atome, subatomare Teilchen, und immer kleiner und kleiner. Je kleiner wir schauen, desto weniger ist etwas als Teilchen der Materie, oder als Energiewelle, zu erkennen. Wir können nicht sagen, ob dieses Ki eine unendliche Ansammlung von Materieteilchen ist, aus denen das gesamte Universum besteht, oder eine unendliche Ansammlung von Energiewellen. Alles hängt davon ab, wie wir es betrachten wollen. Wenn wir es als Energie betrachten, sehen wir eine Welle.  Wenn wir es als Materie betrachten, sehen wir ein Teilchen. 

In den Vier Grundprinzipien von Tohei Sensei scheinen wir eine Aufforderung zu sehen den Onepoint zu bewahren, uns völlig zu entspannen, das Gewicht unten zu behalten und das Ki auszudehnen. Aber wenn wir uns diese Fünf Prinzipien des Shinshin Toitsu Aikido ansehen, ist das erste nicht “Ki ausdehnen”. Das erste ist “Ki dehnt sich aus”. Denn wenn wir denken, wenn wir unseren Gegner sehen, dass wir dann Ki ausdehnen müssen, ist es zu spät. Der Punkt, den Tohei Sensei mit diesem ersten Prinzip hier anspricht, ist, dass wir uns bereits in einem Zustand von sich ausdehnendem Ki befinden müssen. Mit anderen Worten, wir müssen bereits offen sein und alles einschließen, was sich in unserem Bewusstseinsfeld befindet. Wir müssen bereits schauen, bereits sehen und bereits fühlen, was in diesem Moment präsent ist. Wenn wir warten, bis wir erkennen, dass es etwas Bedeutsames gibt, das uns in diesem Moment beeinflussen könnte, und dann denken, dass wir Ki ausdehnen sollten, ist es zu spät. Stattdessen muss dies eine Eigenschaft unseres ständigen Gewahrseins sein.

Okay, das reicht jetzt für den Moment. Während wir heute unsere Ki-Atmung, unsere Ki-Meditation, unsere Geist-Körper-Meditation praktizieren, lasst uns darauf achten, ob sich Ki bereits ausdehnt und wir bereits alles in unser Gewahrsein aufnehmen, ruhig und vollständig.

Ki-Atmung – 20 Minuten

Ki-Meditation – 13 Minuten

Geist-Körper-Meditation – 12 Minuten

Wenn wir auf diese Weise gemeinsam üben, fühlen wir uns ganz natürlich unseres Körpers und unserer Umgebung voll bewusst. Wir bemerken, dass wir mit Ki gefüllt sind und sind uns jetzt bewusst, wie es sich anfühlt, lebendig und präsent zu sein. Und so würde ich gerne hören, dass jemand anderes etwas über diese Erfahrung von sich ausdehnendem Ki sagt.

Fincher Sterling?

Fincher: Guten Morgen, Sensei, und an alle. Es war interessant. Was kam mir in den Sinn? Ich weiß nicht, warum, aber es schien mir ein Kampf zwischen meinem Willen und „Deinem“ Willen zu sein. Und was mir in den Sinn kam, war, was bedeutet dieses „Dein Wille geschehe“? Und wie spiegelt es wider, wofür ich meinen Willen einsetze? Es scheint mir ein Teil der Meditation zu sein, dass wir einen Teil unseres Willens loslassen, so dass wir wahrnehmen und präsent sein können. Ich frage mich, ob Du das nachvollziehen kannst, Sensei. Gibt es etwas, das dort geschieht?

Ich denke schon, lass es mich versuchen. Weißt Du, wir vermenschlichen gerne alles. Und wenn wir etwas vermenschlichen, wie das Universum selbst, dann sagen wir “Gottes Wille” oder “Dein Wille”. Wenn wir uns die Dinge auf diese Weise vorstellen, dann sieht es so aus, als ob jemand oder etwas oder eine Kraft gegen uns ist oder im Gegensatz zu uns steht oder sogar in Konflikt mit unserem eigenen Willen oder unserem eigenen Wunsch. Aber das ist eine sehr kleinliche, mit Verlaub gesagt, eine sehr eingeschränkte Sicht der Dinge, und sie erzeugt ein sehr separiertes Gefühl. Wenn wir bereits “eins mit dem Universum” sind, dann bedeutet dem Weg des Universums zu folgen dem Gefühl zu folgen, vollständig und mit allem, was ist, verbunden zu sein. Und das bedeutet nicht, einem Glauben oder Ideal zu folgen. Stattdessen bedeutet es, sich dem hinzugeben, was in diesem Moment der Weg ist. Der Weg des Augenblicks, der “Weg des Universums”, ist nicht der “Wille” von jemandem, sondern einfach so, wie er ist.  “Das, was ist”, kann sehr angenehm sein, oder es kann erschreckend sein. Es kann sehr wohl so aussehen, als stünde es in völligem Widerspruch zu dem, was wir uns vorgestellt haben, oder zu dem, was wir uns vorgenommen hatten. Aber wenn Ki sich ausdehnt und wir uns damit vereinen können, dann gibt es, egal was passiert, keinen Willenskonflikt. Auf diese Weise fühlen wir uns trotzdem vollkommen erfüllt, denn das ist alles, was unsere Aufgabe als Mensch ist. Es gibt keine andere Aufgabe. Wenn wir uns vorstellen, dass unsere Aufgabe etwas anderes ist, nämlich etwas auf eine bestimmte Art und Weise zu erreichen, dann haben wir, wenn die Dinge nicht so aussehen, nicht dieses Gefühl der Fülle und Zufriedenheit. Wir haben kein Gefühl der Vereinigung, sondern ein Gefühl der Verminderung, der Trennung und der Isolation.

Ich entscheide mich also in jedem Moment dafür, dankbar für alles zu sein, was ich wahrnehmen kann. Natürlich gibt es immer viel, was ich noch nicht wahrnehmen kann, das Leben ist also Übung.

Ich sehe, dass Du nachdenkst, vielleicht halb zuhörend, dass es etwas gibt, was Du sagen willst, ja?

Bitte teile mit uns woran Du denkst. 

Fincher: Nun, ich denke immer noch über diesen kleinen Auslöser nach. Und gibt es nicht etwas, auf das wir uns einfach einlassen können? Ich meine, nun, wir haben diesen Satz: “Wir sind nicht so willensstark, aber wir sind irgendwie hingebungsvoll”?

Ja, nun, “sich hingeben” bedeutet nicht, unseren Willen gegen den Willen eines anderen einzutauschen. Es bedeutet, dass wir aufgeben, uns separiert zu halten. Wenn du sagst: “Dein Wille geschehe”, dann bezeichne es nicht als den Willen eines anderen. Betrachte es stattdessen als Befolgen des Weges. Dem Weg des Universums zu folgen bedeutet, dem Willen des Universums zu folgen.  Es bedeutet nicht, dem Willen eines anderen zu folgen. Es gibt niemand anderen der einen Willen haben könnte! Das Universum ist einfach so, wie es ist. Also geben wir es auf, zu verlangen, dass das Universum so wird, wie wir es wollen, und lassen es einfach los. 

Suzuki Sensei sagte: “So what, Do nothing, Be natural, und Don’t worry, be happy!” („Was soll’s, Tue Nichts, Sei natürlich, Mach dir keine Sorgen, sei glücklich“) Das ist so schön. Wir lieben diese Worte, weil sie uns auf perfekte Weise daran erinnern, dass wir nicht hier sind, um unseren eigenen persönlichen Willen zu erfüllen, um unsere eigene separate, idealisierte Willenskraft auszuüben. Wir sind hier, um zu entdecken, was in diesem Universum, in dem wir alle das Zentrum sind, gerade der richtige Weg ist. Jeder von uns hat diese Erfahrung. Es ist alles für jeden von uns da. Alles, was wir tun müssen, ist einfach zu akzeptieren. Ich danke dir. 

Danke. Jemand anderes bitte.  Lynn Curtis, kannst du bitte etwas sagen?

Lynn: Danke, Sensei. Nun, ich habe eine sehr starke kinästhetische Beziehung zu diesem Thema, durch meinen Körper. Und wenn ich mich verbunden fühle, fühlt sich mein Körper wie elektrisiert an. Ich fühle mich, als wäre ich völlig, du weißt schon, wie angeschlossen (plugged in). Wenn ich Kindern diese Konzepte beibringe, versuche ich jedoch, sie in die einfachste und verständlichste Sprache zu fassen, die sie verstehen können. Einmal kam mir der Gedanke, dass es wie der Reiskocher der Familie ist. Er steht einfach auf der Theke und hat keine Energie, weil er nicht angeschlossen ist. Aber dann, wenn man ihn einsteckt, arbeitet er für einen. Und ich dachte: Okay, diese Analogie werde ich in der nächsten Unterrichtsstunde für die Kinder verwenden. Ich kann das nachempfinden, weil ich mich dadurch völlig elektrisiert fühle.

Es ist wunderschön. Und genau so ist es auch, nicht wahr? Es ist einfach, mit dem Universum verbunden zu sein. 

Diese Sache mit dem “Ki dehnt sich aus” (oder: Ki fließt) bedeutet eigentlich nur, dass man bereit ist. Wach zu sein, wach und bereit zu gehen. Ganz einfach ausgedrückt, ist das alles, was Tohei Sensei sagt: Sei einfach bereit. Weißt du, wir alle erleben, dass der Zustand des Bereitseins für alles ein völlig anderes Gefühl von uns selbst in unserer Umgebung ist, als wenn wir nur herumsitzen und über Dinge nachdenken. Sobald wir anfangen, etwas in der Zukunft zu planen und das Jetzt zu ignorieren, können wir uns völlig von der Realität abschneiden. Natürlich ist es notwendig, das Abendessen oder einen besonderen Anlass zu planen. Aber wir können das tun, indem wir angeschlossen bleiben, so wie wir auch ein Gespräch miteinander führen können und trotzdem diesen Ort hier und jetzt erleben. Dieses wunderbare, vollständige Gefühl von Ki dehnt sich aus. 

Ich danke Dir vielmals. 

Phoenix:  Guten Morgen Sensei. Ich habe gestern den Ozean beobachtet, während mein Mann schwimmen war. Und dann, als du heute Morgen sprachst, und als ich hier saß, war dieses Gefühl des Kommens und Gehens meines Atems, ich meine, einfach diese Art der kontinuierlichen Bewegung, wie das Meer. Sich dem hinzugeben. Du hast schon früher darüber gesprochen, aber heute hatte ich das starke Gefühl, dass es eine ganz natürliche Bewegung war. Es ist einfach passiert. Ich bin so dankbar, dass ich dieses Gefühl davon habe.

Ja, wunderschön. Ich erinnere mich, dass ich als junger Mann gelesen habe, dass ein berühmter Lehrer, Paramahansa Yogananda, gesagt hat, dass wir uns jedes Mal, wenn wir ein großes Gewässer sehen, hinsetzen, still sein und es in vollen Zügen genießen sollen, weil es ein perfektes Spiegelbild der Tiefe unseres geeinten Seins ist. Wenn wir den Ozean betrachten und uns einen Moment Zeit nehmen, um ihn zu genießen, fühlen wir automatisch die Fülle und den Rhythmus des Lebens. 

Also ja, wie du sagst, können wir dieselbe Erfahrung machen, indem wir uns einfach hier und jetzt im Moment öffnen. Ich danke Dir vielmals. 

Ich danke euch allen. Ich schätzen es sehr. Wir sehen uns nächste Woche. 

Aloha. 

 Domo arigato gozaimasu