Wahrhaftig Sein

Hallo zusammen, ich hoffe, es geht allen gut. Onegaishimasu.

Also, heute lese ich Shokushu Nr. 7, “Lebendige Ruhe”.

“Im natürlichen Zustand ist das Gewicht von Objekten immer an deren Unterseite. Die Erfahrung von Ruhe in unserem Körper tritt auf, wenn jeder Teil unseres Körpers auf natürliche Weise unten ist.
Ruhe ist der Geisteszustand, der alle Dinge klar reflektiert, wie die ruhige Oberfläche des Wassers. Ist da der Mond, so wird der Mond gespiegelt. Ist da ein fliegender Vogel, so wird ein fliegender Vogel gespiegelt.
Ruhe ist unser ursprünglicher und natürlicher Zustand. Wenn wir das verstehen, können wir wahre, lebendige Ruhe erfahren.“

Wie ihr wisst, ist unser Thema heute Abend Koichi Tohei’s Spruch:

“Du kannst niemals wahrhaftig werden, wenn dein Gewahrsein eine Täuschung ist.”

Sehr merkwürdig. Ich bin sicher, ihr seid neugierig darauf. Sayaka, könntest du das bitte auf Japanisch für uns lesen?

(Sayaka liest)

Ich danke dir vielmals.

Okay, also dieser Spruch besteht aus mehreren Teilen. “Du kannst nie wahrhaftig werden, wenn dein Gewahrsein eine Täuschung ist.” Was meint er mit “wahrhaftig werden”? Nun, für den Anfang ist wahrhaftig sein unser ursprünglicher Zustand. Ja. Manchmal sagen wir “wahres Selbst” oder einfach “das Wahre”. Aber das ist nicht dasselbe wie “die Wahrheit sagen” oder “Wahrheit”. Es hat nichts mit der Wahrheit an sich zu tun, welche eine relative Sache ist. Es ist wahr, dass ich größer bin als Sayaka. Ja, das ist wahr. Aber das hat nichts mit der Wahrhaftigkeit meines Zustands zu tun. “Wahrhaftig werden” mag so klingen, als wäre das ein Zustand, der für uns in der Zukunft liegt, was er für viele wahrscheinlich auch ist. Aber dieser Zustand ist bereits vorhanden, denn er ist unser ursprünglicher Zustand. Es ist das, was unter all dem Schein liegt. Allerdings wird unser Selbst niemals “wahrhaftig” werden, wenn das, was wir der Welt präsentieren, ein Schein, eine Täuschung ist. An dieser Stelle wird es nun ein wenig knifflig.

Machen wir zuerst etwas Ki-Atmung und dann kommen wir darauf zurück, okay? 

(15 Minuten Ki-Atmung)

“Gewahrsein” ist irgendwie ein komisches Wort, nicht wahr? Wenn man die Definition von Gewahrsein nachschlägt, steht da, dass es “das Wissen, dass etwas tatsächlich existiert” ist. Wenn wir aber über das Gewahrsein des wahren Selbst sprechen, wie kann man das konzeptionell wissen?

Aikido im Allgemeinen bietet eine Menge Verlautbarungen, Prinzipien, Sprüche, Geschichten, Lehren, die helfen uns den Weg zu zeigen. Das ist sehr schwierig, dieses Zeigen, weil es nicht direkt gemacht werden kann. In dem Moment, in dem wir anfangen, einige dieser Begriffe zu definieren, stellen wir fest, dass die Begriffe selbst für den Zweck des Zeigens unzureichend sind. Also wird es unterbewusst.

Tohei Sensei sagte: “Meine Lehre des Aikido ist anders. Denn in diesem Aikido muss man tatsächlich in der Lage sein, es zu tun.” Und das ist im Grunde dasselbe wie dieser Ausspruch von Tohei Sensei. Nun, diese Sache mit dem Vortäuschen ist… nicht nur eine Lüge. Mit anderen Worten: Wahres Gewahrsein erhebt keine Ansprüche und bietet keine Wertungen an. Es kann nur in einem Geist des Gleichmuts existieren. Das wahre Selbst kann nicht im gleichen Gewahrsein oder in der gleichen Präsenz existieren wie eine unechte Repräsentation.

Wie ihr wisst, hatte Suzuki Sensei seine eigenen vier Prinzipien: “So what, do nothing, be natural, don’t worry, be happy.” Was er dort auszudrücken versucht, ist der Zustand des Gleichmuts, der zutiefst ruhig und ohne jegliches Selbst-Bewußtsein ist. Lasst uns darüber nachdenken. “Tiefe Aufmerksamkeit, tiefes Gewahrsein, ohne jegliches Unterbewusstsein.” Das ist wie, wenn wir eine wirklich tolle Zeit haben, nicht wahr? Das ist, wie wenn man wirklich in etwas vertieft ist. Und es kommt einem nie in den Sinn, es zu analysieren oder zu erklären oder damit umzugehen, es vorzutäuschen oder zu versuchen, es in irgendeiner Weise zu manipulieren. Wenn wir uns in einem Zustand des Gleichmuts befinden, ist alles in Ordnung. So what? Die Dinge können sich morgen ändern und schlechter oder besser sein. Und wenn schon? Gestern waren die Dinge schwierig. Was soll’s? Ich habe gerade einen schmerzenden Zahn. Was soll’s? Wir beschäftigen uns nicht mit dem, was belanglos ist. Mit anderen Worten, wir beschäftigen uns nicht damit etwas vorzutäuschen.

Denn man kann nie wissen. Manche Dinge sind schlecht, manche sind gut. Aber in beiden Fällen sagen wir: “Wir warten ab und sehen, was daraus wird.” Bewahren wir uns diese Beständigkeit des Geistes. Lasst uns einfach präsent sein. Machen wir uns nicht unnötig Sorgen. Jedes Mal, wenn wir uns unnötig Sorgen machen, ist das für mich Leiden, Leiden, das wir selbst verursachen. Und wenn wir Leiden verursachen, dann deshalb, weil wir überheblich sind. Wir sind erfüllt von der Anmaßung, dass wir dies für sehr, sehr wichtig halten. Und es wird immer als wichtig angesehen, weil es mir entweder Vergnügen oder Schmerz bringen wird. Das macht es in beiden Fällen wichtig, richtig? Das ist die Täuschung.

Denn ein Geist des Gleichmuts, ein offener Geist, ein wahrhaftiger Geist ist einer, in dem sich das wahre Sein nicht mit diesen beiden Dingen beschäftigt. Es ist okay. Es ist nicht falsch, es ist nicht richtig. Der Geist des Gleichmuts macht sich einfach nicht die Mühe, davon besessen zu sein, es zu analysieren.

Es gibt einige gängigere Definitionen von Gewahrsein, bzw. eine gängigere Verwendung. Zum Beispiel, wenn jemand versucht, so zu tun, als ob er sich auf eine bestimmte Weise fühlt, obwohl er sich ganz anders fühlt. Das ist der Versuch, eine Emotion zu maskieren. Wir üben hier Shinshin Toitsu Aikido. Jeder hier im Raum weiß also, dass ich gerade Shinshin Toitsu Aikido unterrichte. Wenn es also etwas gibt, das mich stört, ich ein Wutproblem hab, oder so, aber ich versuche, einen Geist des Gleichmuts zu zeigen, dann werdet ihr sehen, dass das unecht ist. Ihr seht das vielleicht nicht bei eurem Lehrer, aber ihr seht es vielleicht bei euren Freunden auf einer Dinner-Party. Es ist sehr verbreitet, dass wir nicht wollen, dass die Leute wissen, was wir von jemandem denken oder was wir über ihn fühlen. Diese Sache mit dem Vortäuschen geschieht also immer dann, wenn wir etwas vortäuschen, immer dann, wenn wir Angst haben, die Maske tragen, immer dann, wenn wir uns verstecken, immer dann, wenn wir uns für das schämen, was tatsächlich in uns vorgeht. In diesem Fall repräsentieren wir uns nicht wahrhaftig, und wir können nicht unser wahres Selbst sein.

Wir sind nur dann wahrhaftig, wenn wir nichts verstecken. Das ist also eine große Sache und etwas, worüber man meditieren sollte, etwas, dessen man sich wirklich bewusst sein sollte, es bemerken sollte. In unserem täglichen Leben können wir einen Moment finden, in dem wir ein Gefühl vor anderen im Raum, oder in diesem Fall hier im Zoom, verbergen.

Gleich werdet ihr alle in euren Diskussionsräumen zusammenkommen, um dieses Thema zu diskutieren. Und während ihr diese Diskussion führt, möchte ich, dass ihr die Dinge, die ich hier angesprochen habe, nicht nur berücksichtigt. Sondern ich möchte, dass ihr darauf achtet, ob alles, was ihr sagt, von demjenigen gesprochen wird, der wahrhaftig ist. Dann macht ihr keinen Versuch, irgendetwas zu verbergen. Manchmal ist das etwas, was den Menschen schwer fällt. Aber ich weiß, dass ihr es schafft. Wir sehen uns bald wieder.

(15 Minuten Gesprächsrunde)

Okay, wir sind alle wieder da. Hallo, alle zusammen. Lasst uns beginnen.

Schüler: Ich denke, worauf wir gekommen sind, ist zu erkennen, dass wir uns bewusst sind, dass wir eigentlich oft vortäuschend sind. Ich meine, weisst du, ich habe das mit einer Situation verglichen, in der jemand etwas wollte, und wir wussten, was er wollte, aber niemand hatte den Mut, die Wahrheit darüber zu sagen, was wirklich los war, weil es vielleicht einige Gefühle verletzen könnte, und dann wird es zu dieser großen Lüge und das geht weiter und weiter und niemand kann es wirklich in Ordnung bringen. Aber, weisst du, irgendwann in der Vergangenheit wäre mir das vielleicht nicht bewusst gewesen. Ich weiß also nicht, ob es gut ist, wenn wir eine gewisse Vortäuschung haben oder nicht. Ich meine, ich schätze, in gewisser Weise wollen wir die Leute besser nicht darauf ansprechen.

Okay, danke. Du sprichst hier von etwas, das ständig passiert. Ja, das kommt sehr häufig vor, besonders in der Geschäftswelt, wo man vielleicht nicht die Macht hat, seine Meinung zu sagen. Nun, wir haben diese speziellen Whistleblower-Regeln, weisst du, bezüglich Regierungen und Wirtschaftsmächten, um Leute zu schützen, die etwas sagen wollen, um Dinge beim Namen zu nennen, um gegenüber der Macht die Wahrheit zu sagen. Also, ja, natürlich ist dies ein Weg, um die Täuschung aufzudecken.

Aber wenn wir das tun, wollen wir wirklich vorsichtig sein, dass wir nicht diejenigen sind, die täuschend sind, wisst ihr, wenn wir versuchen, andere bloßzustellen und vielleicht vergessen, uns selbst zu betrachten. Das ist es, worauf die vier Grundprinzipien von Suzuki Sensei hinweisen. Was soll’s, nichts tun, natürlich sein, und sich keine Sorgen machen, glücklich sein. Wenn ihr diese vier Prinzipien befolgt, könnt ihr dann noch jemanden als Schwindler blossstellen? Vielleicht nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob du das kannst. Ja, wie ich schon sagte, wenn wir anfangen, in dieser Praxis zu reifen, dann legen wir nach und nach kleinliche Bedenken beiseite. Und obwohl “kleinlich” und “minimal”, können diese Dinge jemandem immer noch eine ganze Menge Geld und Prestige bringen. Versteht ihr, was ich meine? Es bedeutet nicht, dass es keine Konsequenzen hat in der relativen Welt hat. Es kann in der relativen Welt so viel wie Krieg bedeuten. Wir müssen also entscheiden, wie weit wir gehen, um etwas Aufmerksamkeit für uns zu bekommen. Wofür wollen wir unser Selbst verkaufen? Vielleicht noch wichtiger: Wofür wollen wir unseren Nächsten verkaufen? Siehst du?

Schüler: Ja, nun, wir reden darüber, dass wir wissen, dass das heutzutage ein Thema in der Gesellschaft ist. Weisst du, und zum größten Teil, durch die Lehren des Shinshin Toitsu Aikido, bin ich in der Lage, vielleicht nicht so sehr zu urteilen, wie ich es sonst getan hätte, und zu erkennen, dass wir vielleicht nicht wissen, was diese andere Person durchgemacht hat, um an diesen Punkt zu kommen. Und über den anderen zu urteilen… ich weiß nicht, denn was ist mit mir?

Dieser Prozess hat also offensichtlich seine Auswirkungen auf dich. Aber natürlich ist es ein Kontinuum, ein Prozess. Ich meine, es ist, es ist eine lebenslange Praxis. Wir sitzen also alle im selben Boot wie du. Wir sehen jeden Tag besser. Okay, ich danke dir vielmals.

Schüler: Es hat ein bisschen gedauert, um in Gang zu kommen, denn es gab einige Verwirrung darüber, was das bedeutet, worüber wir wirklich reden. Und dann kamen wir zu den Vorlieben. Ist es okay, Vorlieben zu haben? Wenn wir zum Beispiel auf einer Dinner-Party sind oder so, und wir fühlen uns in einer bestimmten Situation auf eine bestimmte Art und Weise, sollen wir das nicht ausdrücken? Oder drücken wir es aus? Was bedeutet es, wahrhaftig zu sein? Richtig. Und so sind wir also vorgegangen. Aber im Grunde genommen scheint es darauf hinauszulaufen, dass wir hier nach Bestätigung suchen. Wie können wir anderen gegenüber wahrhaftig sein? Wenn wir Dinge vor uns selbst verbergen, wenn wir bestimmte Dinge über uns selbst nicht akzeptieren, was dann? Und mit anderen Worten, fängt wahrhaftig sein nicht eigentlich damit an, uns selbst gegenüber wahrhaftig zu sein, uns unseres eigenen Zustands bewusst zu sein? Das ist der Punkt, auf den wir uns geeinigt haben.

Ja, das ist wirklich gut. Wisst ihr, wir haben diesen Ausdruck, ich weiß nicht, ob ich ihn erfunden oder vor langer Zeit von jemandem geborgt habe, und das ist eigentlich auch egal:

“Verdränge es nicht. Bring es nicht zum Ausdruck. Befass dich einfach damit.“ (“Don’t repress it. Don’t express it. Just address it.”) 

Und das war mir immer sehr wichtig. Seit ich mir dessen bewusst geworden bin. Du hast also die Frage gestellt, wie es ist, auf einer Dinner-Party zu sein, wenn dir etwas unangenehm ist. Und du fragst, ob man es aussprechen soll? Ja, wenn du ein weinerliches Baby sein willst. Ja.

Sieh mal, das mögen viele Leute tun, aber das ist nicht das, was wir tun. Stimmt’s? Deshalb habe ich den Ausdruck “weinerliches Baby” gewählt, weil ich diese Idee trivialisieren will. Weil es in der Tat von trivialer Bedeutung ist. Eines der Dinge, die ich über Reife sagte, die wir über Reife wissen, ist, dass die Dinge beginnen, an ihren Platz zu fallen. Was wirklich wichtig ist. Und “was wirklich wichtig ist” ist wirklich das Einzige, was funktioniert.

Zu schauen und zu sehen, dass wenn ich mich bei einer Dinner-Party wegen etwas unwohl fühle, dann ist das mein Unbehagen. Das ist nicht etwas von jemand anderem, oder wenn es das ist, dann geht mich das nichts an. Es kann sehr wohl sein, dass jemand anderes ein Problem hat, aber meine Sache ist das, was in mir vorgeht. Aber stattdessen denken wir sofort: “Sollte ich etwas sagen?” Ja, du solltest etwas sagen… zu dir selbst. Oder?

Natürlich will ich nicht so klingen, als ob ich es befürworte, dass die Korruption weiter ihren Weg geht. Denn das tue ich natürlich nicht. Aber es ist ja nicht so, dass man die Korruption dort drüben mit der anderen Person ändern kann. Wenn wir nur an die da drüben denken, dann irren wir uns ganz, ganz gewaltig, wenn wir uns selbst gar nicht angeschaut haben, wenn wir so etwas denken.

Oh, diese Sache mit der Täuschung … wir sind alle vortäuschend! Jemand sagte: “Wenn wir nicht unser wahres Selbst sind, sind wir ein Narzisst. Das ist es. Entweder sind wir in unserem wahren Selbst, oder wir praktizieren eine Art von Narzissmus.” Und das ist die Täuschung, immer zu denken, dass man der Wichtige ist, dass man es besser weiß als der Andere mit der anderen Meinung, das andere Familienmitglied, das Mitglied der anderen politischen Partei. Die ganze Idee dieser anderen Art, Aikido zu machen, all die anderen Arten… zu denken, dass wir es besser wissen, ist im Grunde genommen nur eine Anmaßung.

Also danke für die Frage. Ich muss es noch einmal sagen: “Verdränge es nicht, bring es nicht zum Ausdruck. Befass dich einfach damit.“ Ich danke dir.

Schüler: Hallo, Sensei. Wir haben uns darauf fokussiert und besprochen, ob es eine Vortäuschung oder unsere Wahrheit ist. Und das ist die grundlegende Frage: Ist es das Gewahrsein, bemerke “ich” diese Vortäuschung, oder ist es unser wahres Selbst, das es bemerkt? Ist das in sich eine Täuschung, ein Verstecken unseres wahren Selbst? Welche der Möglichkeiten, sich zu fokussieren, erkennt wirklich diese Täuschung?

Hm. Darf ich hier etwas sagen? Es geht hier darum, die Vortäuschung loszulassen, und nicht darum, sie zu benutzen, um Geisteszustände zu entdecken. Verstehst du, was ich meine? Wenn wir also denken: “Ich kann das wirklich herausfinden, ob es dies oder das ist.” Das ist ein Nein. Wir wissen automatisch, wenn wir im gemachten Selbst sind. Und wenn man das ist, ist man voller Selbst-Täuschung. So sind wir, wir sind immer dabei, es für unsere eigene Position passend zu machen. Und das tun wir mit Wissen. Wissen kann auf viele verschiedene Arten genutzt werden, weisst du. Wir geben uns damit ein gutes Gefühl, wir rechtfertigen unsere Täuschung durch massive Rationalisierungen. Und um das zu tun und es zu glauben, brauchen wir viel Wissen. Wir stützen unsere Täuschung durch Logik. Wir benutzen die Logik auf genau diese Weise. Natürlich ist die Logik in unserem täglichen Leben sehr nützlich, aber wenn wir die Logik auf diese selbstdienliche Weise verwenden, ist sie nicht angemessen. Ergibt das einen Sinn?

Student: Ganz genau. Das ist eher ein Gefühl, wahrhaftig zu sein. Es ist viel mehr ein tieferer spiritueller Zustand in dir selbst. Es ist eine Art von Sinn der nicht so sehr definiert ist.

Das ist eine gute Art, es auszudrücken. Ausgezeichnet. Ich danke dir.

Schüler: Wir hatten eine Menge Dinge zu besprechen, als unsere gute Diskussion endlich begann. Einige Beispiele gingen auf unsere Aikido-Praxis ein. Zum Beispiel sagte Roy, dass er manchmal in eine Situation kommt, da er ein Schwarzgurt ist, wo sein Trainingspartner ihm eine Frage stellt, wie etwas gemacht werden sollte. Und er bemerkt: “Nun, ich weiß es eigentlich nicht. Ich habe im Moment keine Ahnung.” Aber der Partner erwartet eine Antwort, also täuscht er sie einfach vor. Das war ein sehr gutes Beispiel, das ich auch nachvollziehen konnte. Kayomi sagte, für sie macht es einen großen Unterschied, ob sie etwas mag oder nicht mag. Wenn sie also Situationen mag, fühlt sie sich leicht und glücklich, und sie muss sich nicht so sehr verstellen. Aber wenn es etwas gibt, das sie nicht mag, dann kommt Ärger auf, und es wird schwierig, in dieser sozialen Situation funktionsfähig zu bleiben. Und um funktionsfähig zu bleiben, hat sie das Gefühl, dass sie sich verstellen und ihre Wut nicht zeigen muss, damit sie noch mit der anderen Person kommunizieren kann. Sie sagte, dass sie manchmal das Gefühl hat, dass es im Hintergrund ein “großes Wissen” gibt, das dies sieht. Die Frage ist also wirklich, ist dieses Vortäuschen manchmal eine notwendige Funktion, um die soziale Situation nicht explodieren zu lassen? Oder ist es doch unnötiges Vortäuschen?

Ich danke dir. Ich denke, dass hier eine mögliche Frage ist. Sie ist wie, “Wer denke ich, dass ich bin?” „Brauche ich es, dass die Situation oder andere mir ein Wohlgefühl verschaffen?” Ja, es ist wichtig für uns, dass wir uns wohlfühlen. Ich will das nicht auf die leichte Schulter nehmen, aber die eigentliche Frage ist, was ist der Weg zu diesem persönlichen Wohlbefinden? Es liegt in der Verantwortung von niemandem sonst, außer in unserer eigenen.

Dieses persönliche Unbehagen entsteht, weil es einen Teil von uns gibt, der noch nicht angesprochen wurde. Und dieser Teil von uns hat Angst, sein Gesicht zu zeigen, sogar vor sich selbst. Und so tun wir so, als ob er nicht da wäre, um die Dinge besser zu machen. Aber es geht uns nicht wirklich gut. Wir fühlen uns immer noch unwohl. Oder? Und, und es geht nicht um die anderen Menschen, auch wenn wir immer so tun als wenn um die anderen Menschen geht. Ich meine, das ist der Grund, warum wir üben – um herauszufinden, was in uns vorgeht, richtig?

Wir sind alle zusammen hier. Also lasst uns vorwärts gehen. Lasst uns Fortschritte machen. Stehen wir früh auf und setzen uns hin und fangen an, daran zu arbeiten. Fangt an, euch darauf einzulassen. Wisst ihr, wir müssen uns darauf einlassen. Es braucht Mut und es ist nicht leicht. Deshalb macht es niemand. Deshalb ist jede Dinner-Party so. Bei der immer mehrere unbequeme Leute dabei sind.

Wenn ich mich als Lehrer aus irgendeinem Grund unwohl fühle, wird mein Unterricht bestenfalls unvollständig sein. Und selbst-bezogen? Schlimmer. Und wisst ihr, manchmal neigen wir dazu, uns zu sehr darauf vorzubereiten, ein Seminar oder eine Stunde zu unterrichten, damit wir uns wohl fühlen werden. Aber das wird uns kein Wohlgefühl bereiten. Deshalb, wenn ich zu einem Seminar komme, schaue ich mir die Schüler an und entscheide dann, was ich unterrichte. Und ich nehme an, dass diese Methode manchmal bedeutet, dass ich nicht sofort das perfekte Thema finde, nicht bis es herausgearbeitet ist, was wir machen. Das ist einfach meine Arbeitsweise.

Ich glaube, dass jeder den Weg zur Geist-Körper-Vereinigung entdecken kann, oder den Weg zum Wahrhaftig-Sein, den “Weg zur Vereinigung mit dem Ki des Universums.” Wahrhaftig zu werden, so dass das eigene Bewusstsein keine Täuschung mehr ist, nun, das kann natürlich ein lebenslanges Projekt sein. Und wir sind alle irgendwo auf diesem Weg hier in diesem Raum zusammen. Und in bin euch allen sehr dankbar. Okay, danke.

Schüler: Wir hatten eine sehr, sehr gute Diskussion. Einige Geschichten aus jedermanns Leben, aber wir haben eine Frage. Ich denke, eine sehr interessante Frage. Die Frage ist, es gibt einen Satz: “Fake it till you make it.“ („Täusche es vor bis du es wirklich kannst.“) Ja. Ich habe bemerkt, in meiner eigenen Erfahrung, zum Beispiel, wenn ich etwas werden will, wenn ich ruhig sein will, dann muss ich zuerst vorgeben, dass ich ruhig bin. Was denkst du darüber?

Okay, ähm, “Fake it till you make it”. Das habe ich schon mal gehört. Ich glaube, ich habe das vielleicht sogar schon mal gemacht. Ja. Nun, weisst du, wir können sagen, dass daran nichts falsch ist, wenn das alles ist, was du hast. Wenn es das ist, was du tun musst, dann tu es. Aber im Aikido haben wir kaisho, gyosho, sosho. Wenn du also so tust, als ob, dann versuchst du wirklich nur, eine Form zu imitieren, wie du zum Beispiel sagst, wenn du versuchst, ruhig zu sein. Nun, aber was ist Ruhe? Was machst du dafür? Kannst du mir das zeigen?

Schüler: Ich versuche, die Emotionen in meinem Gesicht loszuwerden.

Also das ist nicht wirklich möglich, weisst du. Du denkst, dass andere das nicht sofort sehen können? Richtig? Also erstens funktioniert das nicht wirklich. Aber wenn du es tun willst, dann tu es. Ich meine, was auch immer dir das Gefühl gibt, dass du diese Situation überstanden hast.

Du trainierst jetzt schon eine Weile, obwohl ich weiß, dass du sagen würdest, dass du immer noch eher ein Anfänger als ein Experte bist. Ich glaube, du hast mir das schon gesagt, aber du trainierst schon eine Weile. Das bedeutet also, dass du da drin bist, und du bist jetzt hier. Du kommst immer zu dieser Stunde. Das bedeutet also, dass du es ständig mitbekommst. Okay. Nach dem, was du sagst, siehst du die Verstellung in dir, wenn sie auftaucht. Während du es vorher nicht gesehen hast. Du hast es nicht erkannt oder wenn du es erkannt hast, hast du es ignoriert. Du bist also in dem Prozess wie jeder andere auch.
Es ist schön, dass du da bist.

Er sagte: “Wenn ich übe, wenn ich denke, ruhig zu sein, kann ich es tatsächlich werden.” Lasst mich das kurz ansprechen, denn ich denke, es ist wichtig. Ruhe ist das Ergebnis von Achtsamkeit, richtig? Erinnert ihr euch daran? Ich habe schon oft gesagt, wenn wir achtsam sind, werden wir ruhig. Wenn ihr also eure Aufmerksamkeit darauf richtet, ruhig zu werden, wird es euch helfen, tatsächlich ruhig zu werden, einfach weil ihr aufmerksam seid. Wenn ihr also lernen könnt, in dieser Achtsamkeit zu ruhen, werdet ihr euch ruhig fühlen, egal in welcher Situation.

Hat irgendjemand schon mal bemerkt, dass ein Teil der ganzen Idee, ruhig werden zu wollen, dieser Gedanke ist, eine Schuld oder Scham zu fühlen: “Ich sollte nicht wütend sein”, oder “Ich sollte nicht eifersüchtig sein”, oder “Ich sollte nicht neidisch sein”, oder was auch immer? Menschen werden oft wütend auf sich selbst, weil sie eine Emotion fühlen. Wenn das passiert, ist das das Super-Ego, das als angreifende Kraft agiert und versucht, uns daran zu hindern, zu dem zu erwachen, was ist. Denn wenn wir erwachen, dann ist die Macht des Egos über uns aufgehoben, und dann gibt es kein Problem mehr mit dem, was auch immer geschieht. Du empfindest keine Scham. Du fühlst dich nicht schuldig, du fühlst dich nicht falsch, für das, was natürlich aufkommt. Es gibt nichts, was du in Ordnung bringen musst, denn du gibst nicht vor, fortgeschrittener zu sein, als du es bist, oder anders zu sein, als du bist. Du und ich sind genau so, wie wir sind. Und es gibt nichts, was wir daran ändern können, außer darin zu ruhen und dafür dankbar zu sein. Und wenn wir das tun, sind wir sehr nahe daran, in unserem wahren Selbst zu sein. Das ist etwas, was man in Betracht ziehen sollte.

Ich danke dir.

Tracy: Sensei, ich habe die Kanji dieser Aussage von Koichi Tohei Sensei gegoogelt, “Du kannst niemals wahrhaftig werden, wenn dein Gewahrsein eine Täuschung ist”, und fand, dass das Japanische das Wort “shugyo” darin vorkommt. Das brachte mich dazu, mich zu fragen, wie du “shugyo” in deiner Übersetzung verwendest? Die wörtliche Übersetzung des Japanischen ist so etwas wie: “Was du praktizierst, kann nicht wirklich sein, wenn du eine kleine Arbeit machst”.

Ja, das ist sehr interessant. Für die Japaner ist das Wort für “kleine Arbeit” wirklich ein Euphemismus für “etwas Prätentiöses”. Mit “prätentiösem” Denken verhält man sich wie ein hohes Tier, wenn man es nicht ist. Das ist in der japanischen Kultur ein sehr schlechtes Urteil. Es ist eine andere Art zu sagen, dass wir wahrhaftig sein müssen, wer wir sind. Wenn wir praktizieren, dann sind wir wahrhaftig zu dem der wir wirklich sind. Nicht unsere Persönlichkeit, nicht die Art, wie wir aussehen, oder die Art, wie wir klingen, oder die Art, wie wir konditioniert wurden, um erfolgreich zu sein, sondern unser ursprünglicher Zustand des Seins. Der Wahre.

Ich danke euch sehr. Domo arigato gozaimasu.

(Online Training mit Christopher Curtis Sensei vom 19. März 2021, Übersetzung: Olaf T. Schubert)