Vereinigung

Guten Morgen und guten Abend, allerseits. Es ist schön, euch zu sehen. Onegaishimasu

Ich werde heute Morgen Shokushu #15, Ki-Atmung, lesen:

“Der ausströmende Atem erreicht alles im Universum und die ganze Menschheit. Der einströmende Atem fällt in einen unendlich kleinen Raum im Unterbauch. Ki-Atmung ist die unbekannte Praxis, die dich dazu bringt, eins mit dem Universum zu sein.
Wenn du dies nachts alleine tust, wenn das Universum still und ruhig ist, wirst du dich fragen, ob du das Universum bist, oder das Universum du. Mit anderen Worten, du wirst das ultimative Glück des Eins-Seins mit dem Universum erfahren. In diesem Moment ist deine menschliche Lebensenergie voll und ganz aktiviert.“

Wenn wir eine Münze mit zwei Seiten haben, können wir mit einer Seite der Münze nichts kaufen. Es ist nur die ganze Münze, die zählt, nicht das, was auf einer der beiden Seiten ist.

Schüler fragen mich oft: “Wenn es ein Plus-Ki gibt, dann muss es auch ein Minus-Ki geben. Gibt es ein negatives Ki oder nicht?” Nun, ich antworte ihnen: “Das hängt ganz von dir ab.” “Plus Ki” hat kein Gegenteil. Plus Ki ist, wenn wir erleben, dass beide Gegensätze eins werden. Es hängt wirklich davon ab, was man sieht. Mit anderen Worten, wenn wir uns auf diese oder jene Seite konzentrieren, diese Art von Aikido oder jene Art von Aikido, Vergnügen und Schmerz, Gesundheit und Krankheit, Leben und Tod, dann werden wir am Ende das eine oder das andere wählen, bevorzugen und darauf bestehen, und dann neigen wir dazu, sein Gegenteil abzutun oder zu herabzusetzen. Und indem wir es herabsetzen und zum “Anderen” machen, werten wir es ab und machen es vielleicht sogar zu einem Feind. Wir sehen es vielleicht als bedrohlich oder in irgendeiner Weise gefährlich für uns an. Auf diese Weise haben wir etwas mit negativem Ki für uns selbst geschaffen.

Im Grunde genommen entspringt das alles dem Zweifel und mangelndem Vertrauen, was uns letztlich zur Angst führt. Auf diese Weise wird eine negative Sichtweise geschaffen. Aber wenn wir Geist und Körper vereinen, wenn wir die Vereinigung beider Seiten, uns selbst und des Anderen, all dieser scheinbaren Gegensätze, erleben, dann wird alles eins, und es gibt keine Negativität mehr.

Es liegt also wirklich an uns. Tohei Sensei gab uns diese Ki-Atmung und Ki-Meditation, die die Gegensätze des Ein- und Ausatmens beinhalten. Außerdem kakudaiho und shuchuho, Ausdehnung und Konzentration in der Ki-Meditation. Und er sagte uns, dass wir diese Übungen solange nicht verstehen, bis wir sehen, dass beide Seiten, die Gegensätze, tatsächlich dasselbe sind. Es gibt nur eine Sache, die geschieht. Diese zwei verschiedenen Seiten, werden zusammengebracht, werden zum Ganzen, werden eins.

Und jetzt wollen wir das auf alles in unserem Leben anwenden; auf jeden, den wir kennen, auf jedes Problem, das sich uns stellt, auf jede Schwierigkeit, die auftaucht. Gestern hat Carlos Boyer Sensei eine wunderbare Hommage oder Gedenkschrift für Clayton Naluai Sensei zusammengestellt. Ich bin mir nicht sicher, ob jeder hier weiß, wer das war. Er war ein sehr bekannter und geliebter Lehrer hier in Hawaii. Er war ein gebürtiger Hawaiianer. Und, wisst ihr, O’Sensei pflegte zu sagen: “Nur ein Krieger der Liebe ist ein wahrer Krieger.” Dieser Mann, Naluai Sensei, war so ein Krieger. Er bedeutete mir und uns allen sehr viel. Die Erfahrung mit ihm war wie eine Zusammenführung von allem.

Okay, beginnen wir mit etwas Ki-Atmung.

(Ki-Atmung 20 Minuten)

(Ki-Meditation 12 Minuten)

(Geist-Körper-Meditation 13 Minuten)

Wenn wir das Wort “Vereinigung” sagen, meinen wir im Allgemeinen, zwei ungleiche Elemente zu einem zusammenzubringen. Vielleicht sind wir nicht in der Lage, an zwei Dinge auf einmal zu denken oder mit zwei Dingen auf einmal umzugehen, zwei getrennten Elementen. Aber wenn wir sie zusammenbringen, dann haben wir es nur mit einem zu tun. Und dann bringen wir es noch mit diesem anderen zusammen, fügen es dazu, und es ist etwas größeres. Und dann noch eins, und noch eins, noch eins, und das Eine wird einfach größer und größer, mehr und mehr einschließend, und wird schließlich zu allem, das das Universum ist. Es ist einfach, damit umzugehen, solange es vereint ist. Erst wenn wir es in Stücke brechen, wird es zu einem Problem.

Die Praxis, alles zusammenzubringen, hatte ich “Ganzkörper-Meditation” genannt. Jetzt habe ich den Namen in „Geist-Körper-Meditation“ geändert. Manche Leute neigen dazu, Ganzkörper-Meditation mit einer kaisho-Praxis zu verwechseln, der Ganzkörper-Atmung, die der kaisho-Aspekt der Ki-Atmung ist. Aber Geist-Körper-Meditation ist der sosho-Aspekt der Meditation. Bei dieser Meditation geht es darum, den Onepoint, das Herz, die Kehle und den tentei, zu einer Sache zu machen, und dann in dieser einen Sache zu ruhen. Und das ist die Essenz unserer Praxis im Aikido – Geist-Körper-Vereinigung. Denkt ihr nicht auch?

Vielleicht möchtet ihr einen Kommentar abgeben? Oder eine Frage stellen. Wir haben hier ein paar Leute, die schon eine Weile nicht mehr hier waren. Also willkommen zurück. Und ich weiß, dass ihr hier seid, weil heute noch ein Meeting stattfindet. Aber es ist trotzdem schön, euch zu sehen. Und seid nicht schüchtern. Wenn ihr etwas sagen möchtet, tut es bitte. Das Wunderbare an dieser Art von Stunden ist natürlich, dass wir viele verschiedene Elemente wieder zusammenbringen. Was kann man daran nicht lieben? Je öfter wir zusammenkommen, desto tiefer erleben wir ein Gefühl der Einheit. Wenn wir vereint sind, dann fällt uns das Verstehen und Akzeptieren sehr leicht. Je mehr ihr euch also in jede Art von Gruppensituation wie diese einbringen könnt, desto mehr könnt ihr euer Gefühl der Isolation loslassen. Es ist nichts falsch an der Kraft des Einzelnen, an der Unabhängigkeit. Solange ihr niemanden als von euch getrennt seht. Du kannst Unabhängigkeit haben, solange sie jeden einschließt! Okay… Möchte jemand etwas sagen, bitte? Ansonsten werde ich einfach weiterreden.

Schüler: Sensei, bei diesem Shokushu bleibe ich an der Formulierung “diese unbekannte Praxis” hängen. Könntest Du dazu etwas sagen? 

Nun, ja. Ich weiß, worauf du anspielst. Ich würde sagen, dass Tohei Sensei mit dieser Aussage meinte, dass niemand sonst davon weiß. Mit anderen Worten, es ist etwas Besonderes für Shinshin Toitsu Aikido. Und in diesem Sinne erhebt er sozusagen einen kleinen Anspruch auf Besitz. Wir machen das oft, nicht wahr? Wir identifizieren uns mit etwas, wir machen es zu einem Identitätsmerkmal, zu etwas, das anders und besonders und nur für uns ist. Es fühlt sich ein wenig so an, als ob meine Gruppe besser oder besonderer ist als deine Gruppe. Meine Aikido-Richtung ist besser als das Aikido der anderen. Wir alle haben diese Art von Dingen in unserem Leben. Es ist das, was ich ein “Identitätsmerkmal” nenne. Es ist etwas, auf das wir zeigen, um uns als Teil von etwas Einzigartigem und Wertvollem zu fühlen. Etwas Besonderem. So etwas ist in Ordnung, solange das Gefühl, Teil von etwas sehr Schönem zu sein, nicht dazu führt, dass jemand anderes außen vor bleibt.

Und, natürlich, vergeben wir auch. Keiner von uns ist perfekt. Und wir alle tun dies auf viele Arten. Wichtig ist, dass wir bemerken wie es bei uns läuft, anderen nicht die Schuld zu geben oder auf sie zeigen. Oder? Einfach zu bemerken, wie wir das vielleicht auch tun, auf so viele Arten. Ich danke dir.

Schüler: Sensei, ich habe eine kleine Bitte. Würdest Du uns bitte das nächste Mal in dieser Geist-Körper-Meditation anleiten? Denn ich hatte das Gefühl, dass ich es dieses Mal brauchte, aber es war vielleicht nicht angemessen, mitten in unserer Sitzung darum zu bitten. Aber würdest Du das beim nächsten Mal wieder für uns tun?

Das werde ich, ich werde das gerne nächsten Sonntag machen. Einige andere Leute haben mich auch gebeten, diese Meditation noch einmal anzuleiten. Am Anfang ist sie vielleicht ein bisschen schwer zu verstehen. Nennen wir sie jetzt also “Geist-Körper-Meditation”. Nochmals, ja, es ist das Zusammenbringen dieser vier Teile, mit dem die Leute Schwierigkeiten haben. Diese Meditation soll die Praxis des Einschließens sein. Mit anderen Worten, Tohei Sensei hat uns gelehrt, dass “Onepoint” und „Ki Ausdehnen” ein und dieselbe Sache sind. Wir denken von “Ausdehnen” als “Einschließen”, und diese Methode bedeutet, diese vier grundlegenden Elemente einzuschließen, und diese können wir dann alle zusammen als eins erleben. “Wir können alles einbeziehen”, sagen wir im Englischen, oder wir wollen “eine vollständige Perspektive haben” und nicht einen Aspekt überbetonen.

Worüber wir heute gesprochen haben, ist, dass, wenn wir einen Teil gegenüber einem anderen Teil bevorzugen, das bedeutet, dass wir vielleicht nicht das Ganze in Betracht ziehen. Wisst ihr, in den Fünf Prinzipien des Shinshin Toitsu Aikido heißt es nicht nur “Erkenne den Geist deines Partners”, sondern auch “Versetze dich in die Lage deines Partners.”

Schüler: Ich habe bemerkt, dass ich die Lücke zwischen den beiden Atemzügen schließe. Und es ist eine wunderbare Erfahrung, diese Lücke zu schließen, diesen Raum zwischen dem Ausatmen und dem Einatmen.

Ja, vielleicht erinnerst du dich, ich habe euch neulich an einem Abend von einem Erlebnis erzählt, das ich einmal mit Tohei Sensei hatte, wo er uns über diesen Raum zwischen dem Ausatmen und dem Einatmen lehrte. Und er sagte: “Ihr Leute versteht die Ki-Atmung nicht, weil ihr denkt, es geht um das Ausatmen und das Einatmen. Aber in Wirklichkeit geht es um den Raum zwischen dem Ausatmen und dem Einatmen. Und dieser Raum geht ins Unendliche.” Das hat mir wirklich geholfen, die dualen Aspekte von Ki-Meditation und Ki-Atmung zusammenzubringen. Denn es geht um die Unendlichkeit, nicht wahr, immer ausatmen in die Unendlichkeit und einatmen in die Unendlichkeit. Es geht um die Vereinigung aller getrennten Teile. Es ist das Ende davon, diese Welt als ausschließlich relativ zu sehen. Natürlich geht es in der relativen, oder dualen Welt, um was auch immer unsere Sinne wahrnehmen können wie sie ist. Aber wir haben tiefergehende Augen, mit denen wir verstehen können, dass wir ein Teil von allem sind und von allem abhängig, alles zusammen zur gleichen Zeit.

Nun, das war’s. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass alle heute hierher gekommen sind.

Schüler: Sensei, ich wollte Dir nur für den Begriff “Krieger der Liebe” danken. Das ist ein Begriff, der mich wirklich berührt hat und etwas, das ich sein möchte, also vielen Dank.

Ja, trifft das nicht genau und vollständig auf Naluai Sensei zu? Okay, ich denke, das tut es. 

Ich danke euch vielmals.

Domo arigato gozaimasu.

(Online Training mit Christopher Curtis Sensei vom 14. März 2021, Übersetzung: Olaf T. Schubert)