Offener Geist
Hallo euch allen, ich hoffe es geht euch allen gut. Onegaishimasu. Ich freue mich euch alle zu sehen. Ich werde zum Anfang das Shokushu #10 lesen, „Das Prinzip des Nicht-Streitens”.
„Im absoluten Universum gibt es keinen Konflikt. Konflikt entsteht nur in der relativen Welt. Wenn wir andere führen wollen, müssen wir Geist und Körper vereinen und die Prinzipien des Universums praktizieren. Sage nicht, dass dies eine Welt ist in der nur die Stärksten überleben, und die Stärkeren die Schwächeren ausbeuten. Der wahre Weg zum Frieden entspricht exakt dem Prinzip des Nicht-Streitens.”
Heute Abend ist der achte Spruch von Tohei Sensei dran: „Du kannst alles akzeptieren wenn du deinen Geist öffnest.”
Ist es nicht interessant, dass Aikido von allen als eine Kampfkunst zur Selbstverteidigung gesehen wird, aber wenn wir uns auch nur im geringsten verteidigend verhalten, dann funktioniert es nicht. Denkt mal darüber nach. Nun, wenn jemand auf uns zukommt um uns anzugreifen, dann ist es egal was seine Absicht ist. Sie machen eine Aktion auf uns zu, vielleicht um uns zu packen, zu treten, zu schlagen, oder so. Und im Aikido müssen wir uns damit verbinden. Richtig? Und wir müssen uns ihnen öffnen um uns mit ihnen verbinden zu können. Und durch dieses Öffnen, diese Vereinigung, werden wir eins mit ihnen. Und dann wird die Aktion aufgelöst ohne dass ihnen oder uns Schaden zugefügt wird. Das ist Aikido auf den Punkt gebracht, oder?
Und das ist was Tohei Sensei meint mit „wir müssen in der Lage sein unseren Geist zu öffnen um alles akzeptieren zu können.” Und wenn wir unseren Geist öffnen können, dann können wir alles akzeptieren, egal was. Nochmal, das bedeutet nicht, dass wir uns vormachen müssten die Person die etwas gegen uns unternimmt, sei es verbal, oder emotional, oder physisch, hätte keine negative Absicht. Sie könnte besessen sein mit irgendeiner Form von Negativität, aber darauf kommt es nicht an. Wahrscheinlich haben sie tatsächlich so etwas, wenn wir wirklich Aikido mit ihnen machen müssen. Darum geht es nicht, und wenn wir das sehen, dann müssen wir davon auch nicht negativ beeinflusst werden.
Und lasst uns nicht vergessen, dass diese Art von Angriff sehr selten auf einem physischen Level passiert. Aber prinzipiell, ob nun emotional, psychologisch, oder intellektuell, geschieht das jeden Tag, oder nicht? Jemand sagt etwas und wir sehen, dass da eine Absicht dahinter steckt. Und wenn wir Aikido praktizieren, dann bemerken wir das, das heisst wenn wir uns dem öffnen.
Tohei Sensei sprach immer davon wie alles was von anderen auf uns gerichtet ist in den „magischen Topf“, unseren Onepoint, geht. Suzuki Sensei sprach immer von „tsuki ga nai shisei”, was bedeutet „eine Haltung ohne Öffnung“. Und ist das nicht wieder interessant, dass wir, um eine Haltung ohne Öffnung zu haben, selbst komplett offen sein müssen. Wenn wir auch nur ein kleines bisschen Abwehr in uns haben, oder ein kleines bisschen sich gegen den anderen zu verteidigen, diese Abwehr in uns ist der Knopf den der Gegner drücken kann, um uns unsere Stabilität verlieren zu lassen und uns schwach zu machen. Deswegen habe ich heute „den Geist des Nicht-Streitens“ vorgelesen, das ist weil es für uns so wichtig ist.
Verstehen wir das? Wisst ihr, oft werde ich gefragt „Heisst das, dass ich mich einfach ergebe und alles mit mir geschehen lasse?“ Nein, nein. Vergesst bitte nicht, Tohei Sensei unterrichtete uns die drei Arten wie Menschen in ihrem Leben auf Herausforderungen reagieren. In jeglicher Situation, immer wenn wir herausgefordert werden, handeln wir nach Option A, Option B, oder Option C. Wir haben das schon oft behandelt, Option A ist uns zu verteidigen, oder den anderen zu bekämpfen, sich für sich stark zu machen. Aber leider basiert das nicht auf Stärke, sondern auf Angst. Zu versuchen, Stärke zu zeigen, zeigt die Schwäche. Wenn wir tatsächlich Stärke besitzen, dann müssen wir sie niemals zeigen.
Option B ist einfach zu kollabieren, alles was geschieht geschehen zu lassen, und zu beten dass sich jemand für uns um das Problem kümmern wird. Natürlich wird auch das nicht funktionieren.
Option C ist Nicht-Streiten. Direkt im Angesicht von Schwierigkeiten zu stehen, im Angesicht von jemand zu stehen der negativ ist, im Angesicht von Widrigkeiten zu stehen, und damit eins zu werden. So ungeschützt zu werden, dass wir den anderen in die Arme schliessen und einschliessen können. Wir nennen das „osaeru“. Osaeru heisst „einschliessen“ oder „einbinden“ (engl.: to include). Wörtlich heisst es „abdecken”, aber im Aikido nutzen wir es in der Bedeutung einschliessen oder einbinden.
Egal wie böse die Dunkelheit ist, wir transformieren sie indem wir das Licht des Bewusstseins darauf richten. Das ist das Bewusstsein, mit dem ich alles was in dieser Welt geschieht für mich nutzen kann. Ich bin das Zentrum des Universums, genau wie ihr. Und das heisst, dass alles was in unserer Welt geschieht zu unserem Nutzen geschieht. Egal wie wertlos es gerade erscheinen mag, egal wie tragisch, egal wie negativ, alles passt ganz natürlich zu uns.
Also, zu lernen hinzuhören heisst, zu lernen offen zu sein, unseren Geist zu öffnen, und dann können wir alles akzeptieren. Vielleicht erinnert ihr euch, dass ich die vier Prinzipien der Praxis unterrichtet habe. Nummer Eins ist „erscheinen“ (show up), wir müssen präsent sein, nicht nur physisch erscheinen, sondern auch wach da sein. Nummer Zwei ist „öffnen“ (opening). Wir öffnen unseren Geist. Und Nummer Drei, wir „folgen“ (follow). Wir folgen dem was geschieht. Und schlussendlich, die Auflösung, Nummer Vier ist zu „akzeptieren“ (accept). Wir akzeptieren was auch immer die Lösung ist, wir akzeptieren das Resultat egal was es ist. Natürlich, das kann sehr gut etwas sein was wir uns nicht gewünscht haben oder nach was wir suchen. Weil wir immer das wünschen und suchen was unser kleiner Geist für sich nutzbringend hält. Ziemlich oft ist das was wir wirklich brauchen außerhalb dieser Kategorie. Und so mag uns das Ergebnis dieser Praxis nicht immer so nützlich erscheinen wie es sein könnte, wenn wir es nur akzeptieren könnten. Wir laden es ein in unser Leben egal was es ist, diese ganze Sache mit ungeschützt sein, offen sein, und zu akzeptieren, das ist Aikido. Und das ist der starke Mensch. Das ist der furchtlose Mensch. Das ist was Mut erfordert.
Das ist schwierig, denn auch wenn wir alle das Prinzip des Nicht-Streitens kennen, ist es definitiv nicht allgemein bekannt oder praktiziert in dieser Welt. Das ist nicht was da draußen geschieht, oder? Jeder denkt er muss sich schützen, als wenn es im Leben um das Überleben der Stärksten geht.
Und jeder von uns hat das in sich, Leute. Also müssen wir bemerken wenn es in uns aufkommt, wenn es erscheint.
(15 Minuten in Diskussionsgruppen)
Schüler: Alle in unserer Gruppe erzählten Geschichten aus dem täglichen Leben, in denen sie herausgefordert wurden, aber es schafften mit der Situation klarzukommen, und manchmal auch nicht. Aber ich habe eine Frage. Du erwähntest, dass wir im Aikido üben mit negativer Energie umzugehen. Nun, ich weiß genau so hast du es nicht gesagt. Aber die Idee ist doch wenn wir Ki-Aikido korrekt üben, im Dojo, dann sehen wir dass der Partner uns gar nicht verletzen will, und wir bewahren beide den Onepoint. Der Partner will mir helfen die Technik zu lernen. Und er gibt mir eine bestimmte Angriffslinie. Und ich habe gelernt, mich mit dieser Linie der Ki Bewegung zu bewegen. Damit ist da keine Negativität mit der ich klar kommen muss, sofern ich es nicht als solche empfinde. Nun für mich ist das tatsächliche Aikido Training außerhalb des Dojos, wo die gleichen Energie-Muster geschehen, aber mit tatsächlicher Negativität. Also nutze ich mein Training außerhalb des Dojos um mit mehr Energie und mit Negativität umzugehen. Jemand will mich verletzen, oder so etwas. Ich lerne die Muster im Dojo, und dann bin ich bereit sie außerhalb des Dojos zu nutzen.
Dankeschön. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wenn wir im Dojo üben, natürlich will uns die Person die uns angreift nicht wirklich verletzen. Er ist nicht negativ in dem Sinne dass er uns Schaden zufügen will. Ja. Es ist ein bisschen wie… im Dojo, da verwenden wir Messer aus Holz, und keine mit einer Rasierklingen-scharfen Stahlklinge, weil wir üben und niemanden verletzen wollen. Und wir sagen immer „Betrachte das hölzerne Messer als wenn es aus Stahl wäre, so dass du wenn du dann eine Stahlklinge siehst sie so betrachten kannst, als wenn sie aus Holz wäre.“ Das ist ähnlich zu dem was du beschreibst. Wenn wir jemanden im Dojo sehen wie er uns angreift, dann wissen wir dass er uns nicht verletzen will. Aber um zu lernen, müssen wir ihn betrachten als wenn er es ernst meinen würde. De facto geht das so weit, dass Shinichi Sensei in letzter Zeit mehr und mehr darauf besteht, dass wenn du angreifst, dann tust du das besser mit ganzer Macht. Denn ansonsten könnten wir anfangen zu denken, das Leben wäre so wie die Energie im Dojo, nicht wirklich so heftig. Also, es muss ein voller Angriff sein.
Ich möchte noch ein Sache bezüglich unseres täglichen Lebens hinzufügen. Im allgemeinen versucht niemand uns physisch zu verletzen. Es geschieht eventuell gelegentlich, aber für die meisten von uns ist es ziemlich selten. Aber wie ich vorhin sagte, was für uns recht häufig vorkommt, ist dass wir verbal oder emotional attackiert werden. Die Menschen sind so. Und ja, sie da mag einige negative Energie involviert sein, die du bemerken kannst. Aber da wir es gewohnt sind, im Dojo mit Angriffen voller Energie zu üben, wissen wir mit solchen Energien außerhalb des Dojos umzugehen, und wir müssen uns darüber keine Sorgen machen, dass sie negativ sein könnten.
Natürlich, hier ist es wo die Meditation ins Spiel kommt, und die Ki-Atmung. Wenn wir viel meditieren, dann lernen wir unsere ganze Aufmerksamkeit dem Moment zu widmen. Und wenn wir vollständig in Aufmerksamkeit sind, dann werden wir sehr ruhig. Einige von euch haben mir Geschichten erzählt über Dinge, die euch in eurem Leben passiert sind. Als ihr jemandem begegnet seid, manchmal auch mehreren Leuten gleichzeitig, die eine negative Absicht hatten euch zu verletzen. Besonders mehrere Frauen haben mir davon erzählt, und wie sie einfach ganz stabil und ganz ruhig wurden und so direkt vor diesen Leuten standen, und in der Lage waren die gesamte Situation zu neutralisieren. Wisst ihr, niemand, der jemand anderen auf irgend eine Art ausnutzen will, sucht sich denjenigen heraus der aufrecht steht und ihm direkt in die Augen schaut, ohne Furcht. Vor einigen Jahren haben sie mal in einem Gefängnis eine Studie durchgeführt. Sie hatten verschiedene Frauen beim Gehen gefilmt, und dann fragten sie die Inhaftierten „Welche würdet ihr angreifen?“ Und sie suchten sich alle diejenigen heraus, die mit gesenktem Kopf und einer schludrigen Körperhaltung liefen, aber nicht diejenigen, die ausschritten und gerade nach vorne schauten. Also die „Experten“ wissen das, sie verstehen.
Wisst ihr, ich würde sogar sagen, dass es einfacher ist mit den Menschen im täglichen Leben umzugehen als mit jemand im Dojo, der weiss wie man richtig angreift. Okay, vielen Dank.
Schüler: Unsere Frage ist, wenn du sagst „akzeptieren“, meinst du dann „es auf sich zu nehmen“? Wie, wenn man die negative Energie von jemand annimmt, wenn man im Verteidigungsmodus ist, und dadurch selbst negativ beeinflusst wird.
Wenn ich davon spreche etwas zu akzeptieren, dann ist das das vierte der vier Prinzipien unserer Praxis. Was das für mich bedeutet ist, dass in was für einer Situation auch immer ich bin, ich möchte mich daran erinnern, dass was auch immer es ist, es da um mir zugute zu kommen. Es ist da zu meinen Gunsten. Es ist niemals da nicht zu meinen Gunsten. Es ist niemals da, um mir nicht zugute zu kommen. So funktioniert das nicht. So zu denken wäre sehr ignorant, da es zum Entstehen von Konflikt führen würde. Ich würde es bewerten so oder so zu sein. Aber können wir uns einen solchen Luxus leisten, ein solcher Selbst-Genuss, dass wir meinen werten zu können, und zu denken wir wären wissend genug, erwacht genug? Nein, das nährt einfach nur Angst und Zweifel.
Ich muss jede Situation mit der gleichen Ernsthaftigkeit behandeln, mit dem selben Respekt. Und wenn ich praktiziere was ich predige, dann muss ich ungeschützt, verletzlich, offen, bereitwillig sein. Ich muss ein Teilnehmer sein, kein Vermeider, kein Richter. Wir verstecken uns nicht, rennen nicht weg, schützen uns nicht, sondern sind bereit für alles und willig für jeden hier zu sein.
Dafür müssen wir unser ganzes Leben üben. Und selbst wenn wir vielleicht sehr viel Erfahrung haben, dennoch ist niemand perfekt. Es ist sehr, sehr schwierig das von uns selbst zu verlangen, aber das heisst nicht, dass wir es nicht jeden Tag üben. Wisst ihr, wir haben jeden Tag 24 Stunden. Wir verbringen vielleicht nur 2 oder 3 Stunden Aikido übend, im Dojo oder außerhalb. Wir müssen einfach daran denken, immer mit der gleichen Art von Offenheit aufmerksam zu sein. Okay, vielen Dank.
Schüler: Hallo, Hi, ihr alle. Der allgemeine Konsens der Gruppe war, dass wenn wir leben und das praktizieren, nun, es braucht Zeit und Bemühung, das ist nicht etwas das, oh, und ganz plötzlich sind wir einfach offen. Das erfordert tägliche Praxis. Und das ist woran wir alle arbeiten. Es war eine wundervolle Diskussion.
Und dann war das Thema unserer Diskussion, wie man mit Situationen im täglichen Leben umgeht wenn es um emotionale und psychologische Dinge geht. Zum einen sind da Situationen im Berufsleben, wenn Menschen Macht ausüben, und dann ist die Frage wie man mit dieser Ungerechtigkeit umgeht? In diesem beruflichen Kontext müssen wir Situationen akzeptieren und annehmen, die von Dingen angetrieben werden welche von einem Gerechtigkeitsstandpunkt aus nicht unbedingt akzeptabel sind. Und dann war die Frage, ja, die Praxis des Aikido kann hilfreich sein. Ruhig bleiben, offen sein, die Situation annehmen ist sehr wichtig, aber das Leben kann dennoch gelegentlich eine Herausforderung bleiben. Also sollten wir nicht auch eine Diskussion zu diesem Thema haben, dem Kontext im Berufsleben?
Ja. Okay. Dankeschön. Das ist offensichtlich sehr komplex. Und wenn ich darüber so spreche wie ich es tue, dann könnte es scheinen als wenn wir die Dinge etwas über-simplifizieren, oder eine komplexe Sache zu sehr vereinfachen. Das Prinzip selbst, das Prinzip des Nicht-Streitens, ist sehr einfach. Aber in der Anwendung, zum Beispiel wie du sagst im geschäftlichen Kontext, in einem Meeting in dem die Menschen vielleicht weniger als wahrhaftig sind und irgendeine Art von Macht oder Kontrolle ausüben, da kann es kompliziert sein. Nun, die tatsächlichen Techniken die man hier vielleicht anwenden würde, vielleicht unterrichten wir die nicht so explizit im Dojo, so wie wir die Bewegungsdetails im kokyunage zeigen, wie man damit eins wird und diese Art von Energie neutralisiert.
Dennoch, in zwischenmenschlichen Beziehungen, in denen wir keine physische Bewegung haben, nutzen wir Fragen. Anstatt Stellungnahmen abzugeben, stellen wir Fragen, wir versuchen die geistige Haltung der Person zu erkennen. Wir wollen ihre Absicht sehr gut kennen. Und während wir all das bemerken, tun wir das ohne zu werten, denn wir wollen wahrhaft verletzlich und befragend bleiben, nicht entscheidend.
Das ist eine Technik die du, wenn du ein erfolgreicher Geschäftsmann bist, bereits kennst und praktizierst. Je reifer wir werden, umso mehr können wir die Geist-Körper Einheit und ein Gefühl von Ruhe beibehalten, welche, erinnert euch bitte, nur erscheint wenn wir zuhören und aufmerksam sind. Richtig? Und wenn wir diese geistige Verfassung haben, und das die ganze Zeit praktizieren, dann können wir in ziemlich jeder Situation eine Möglichkeit finden, Gegensätze zu neutralisieren, aufzulösen, und uns zu verbinden.
Schüler: Ich werde es ein wenig zusammenfassen, und dann werde ich etwas erwähnen, das durch deine Antworten zu den vorherigen Fragen aufkam. Jemand sprach zum Beispiel wie wir erzogen werden zu unterscheiden was gut und was schlecht ist, nun, die grundlegenden Werte. Nun, können wir etwas akzeptieren, von dem wir wissen dass es schlecht oder falsch ist? Das kam in unserer Diskussion auf. Und ein weiterer Punkt war, dass wir, vielleicht bevor wir Aikido trainiert haben, eine Art Schema von Konkurrenzdenken im Leben hatten. Und dann, durch Aikido, fangen wir an dieses Schema aufzubrechen. Aber dann fangen wir an, dieses Schema in allen anderen um uns herum zu sehen. Und, du erwähntest etwas das mir jetzt aufgeht. Es hatte damit zu tun, dass wir nichts negatives akzeptieren müssen. Richtig? Ich meine, mit anderen Worten, wir akzeptieren, aber das heisst nicht, dass wir etwas negatives akzeptieren.
Oh, absolut.
Schüler: Genau. Und daher frage ich mich, ob du diesbezüglich noch etwas mehr sagen könntest.
Okay, nun, einkaufen im Supermarkt: ich weiß nicht, ob du kürzlich nach einer reifen Avocado suchen musstest. Wenn ja, dann ist dir vielleicht aufgefallen, dass jeder schon dabei war und geprüft hat ob sie reif sind oder nicht. Okay? Nun du musst da sehr aufmerksam sein, und vielleicht sogar Erfahrung haben, um die korrekte Avocado auszuwählen, eine die noch nicht zerdrückt ist. Und du musst dazu in der Lage sein ohne sie anzufassen. Ansonsten machst du das Problem ja noch schlimmer.
Also, in diesem Fall sind diese zermatschten die negativen. Diese sind die Avocados, die du nicht empfangen möchtest, okay? Und so lässt du diese liegen.
Natürlich gibt es Momente in denen du eine Konfrontation nicht vermeiden kannst, du es nicht vermeiden kannst, mit einer bestimmten Situation umgehen zu müssen. Und in dieser Situation, wenn du dann Angst hast etwas negatives zu empfangen, das ist dann mangelndes Verständnis und es wird nicht funktionieren. Nun, falls ich den Fehler gemacht hätte eine der matschigen Avocados mit nach Hause zu nehmen, dann müsste ich eben an diesem Abend einfach Guacamole zubereiten. Das ist alles. Verstehst du?
Also in diesem Sinne ist ablehnen das Gegenteil von akzeptieren. Und mit „akzeptieren“ meine ich, dass wir damit umgehen müssen was auch immer uns gegeben wird. Und wenn wir uns darin verstricken wie falsch das ist, dann ist das eine Angst-basierte Art zu leben. Und das wird zu Vermeidung führen, was dann entweder zu Option A führt, kämpfen, oder Option B, du kollabierst im Angesicht der Umstände. Aber du wirst nicht Aikido machen. Also, den Schlüssel zu finden der es uns ermöglicht, willentlich Teil von allem zu sein mit dem wir konfrontiert werden, in uns drin, das nennen wir bemerken (engl.: noticing). Unsere Praxis ist es, zu bemerken was es ist das uns motiviert zu tun was wir tun. Und du bemerkst das, indem es aufkommen siehst, immer wieder und wieder und wieder. Und an einem bestimmten Punkt sagen wir dann „Oh, das ist was ich tue!“
Vielen Dank.
Schüler: Wir hatten eigentlich keine Frage. Wir sprachen einfach über das Training, ob es nun ein Konflikt mit jemand ist mit dem man zusammen arbeitet, oder jemand in der Familie, der eine Meinung hat der ich nicht zustimmen kann, oder einfach an der Supermarkt-Kasse wenn sich jemand vordrängelt. Und uns wurde klar, nun, wir denken wirklich, dass es super ist es einfach so zu sehen, erscheinen (show up), öffnen (open up), folgen (follow), und das Resultat akzeptieren (accept). Ich weiss nicht was ich sonst noch sagen soll, nun, wir sprachen einfach davon wie wir realisieren dass wir mehr trainieren müssen, und lernen akzeptierend und präsent zu sein.
Vielen Dank. Ja, je mehr man übt, umso mehr Jahre man mit Lehrern verbringt, und mit anderen Aikidoka die das Training und ihre eigene Entwicklung ernst nehmen, je öfter man Dinge hört wie die vier Prinzipien der Praxis, umso einfacher wird es.
Wenn ich mit einer Gruppe von euch so wie jetzt zusammen bin, dann ist es meine Verantwortung eine Art Präsentation zu geben und diesen Weg des Nicht-Streitens irgendwie zu präsentieren. Ich versuche zum Kern vorzudringen was es ist woran wir arbeiten müssen. Keiner behauptet perfekt darin zu sein. Wir üben alle gemeinsam, etwas das unglaublich schwierig ist. Und wir werden damit in unserem Leben den ganzen Tag konfrontiert, jeden Tag. Aber lasst mich einfach sagen was wir alle für ein Glück haben, in der Lage zu sein so wie jetzt zusammen zu kommen und dieses schwierigste Thema zu besprechen. Dieses Aikido hat mir vermutlich das Leben gerettet, und ich denke eures wahrscheinlich auch. Und wenn bis jetzt noch nicht, dann verspreche ich euch wird es das noch, wenn du es zulässt. Ich meine nicht „mein Leben gerettet“ auf die Art als wenn jemand mich sonst getötet hätte, und ich ihn stattdessen auf extravagante Art auf den Boden geworfen habe. Das meine ich überhaupt nicht. Ich meine es hat mein Leben gerettet, weil es die Art verändert hat wie ich die Welt sehe. Das ist es was unser Leben verändert. Das ist es was uns vor uns selbst rettet. Also lasst uns einfach dankbar dafür sein.
Okay, vielen Dank euch allen. Ich liebe euch alle. Ich freue mich euch zu sehen, und hoffe euch am Sonntagmorgen wieder zu sehen. Bye bye.
(Online Training mit Christopher Curtis Sensei vom 27. November 2020, Übersetzung: Olaf T. Schubert)