Hinter dem Offensichtlichen

Hallo euch allen. Onegai shimasu. Schön euch alle zu sehen. Danke für‘s Kommen. 

Ich werde das Shokushu Nummer 10 lesen, “Das Prinzip des Nicht-Streitens.”

“Im absoluten Universum gibt es keinen Konflikt. Konflikt entsteht nur in der relativen Welt. Um Andere führen zu können, müssen wir Geist und Körper vereinen, und die Prinzipien des Universums praktizieren. Sage nicht, dass dies eine Welt des Überlebenskampfes ist, in der nur die Starken überleben. Der wahre Weg zum Frieden entspricht exakt dem Prinzip des Nicht-Streitens.”

Ich sagte vorhin, “Wie schön euch alle zu sehen.” Es ist sehr schön zu sehen wie wir hier alle zusammen sind. Wisst ihr, jeder ist anders, jeder hat seine eigene Art und Weise, jeder sucht nach anderen Dingen. Und so gut es geht versuchen wir, diese verschiedenen Dinge gegenüber anderen herauszustellen. Aber ich bin mir sicher dass ihr vielleicht bereits anfangt zu ahnen, dass da noch etwas hinter all dem ist was auch immer ihr meint zu erleben, hinter was auch immer für Gedanken ihr habt, hinter all den Gefühlen und Bedenken, hinter allem was ihr euch wünscht und wovor ihr euch fürchtet, da ist immer etwas dahinter. Die Sache selbst ist wie eine Blase, und wenn du sie zum Platzen bringst, ist es tatsächlich nur Luft. So sind all diese bedeutenden Unterschiede die wir haben, an denen wir uns alle festhalten und die wir so lieben.  

Wenn wir tiefer und tiefer dahinter gehen, werden wir uns immer ähnlicher. Wir sagen: du bist eine Frau, ich bin ein Mann – befrei dich davon; du bist Europäer, ich bin Japaner – befrei dich davon; du bist groß, ich bin klein – befrei dich davon; ich bin dick, du bist dünn – befrei dich davon; ich bin gebildet, du bist ungebildet – befrei dich davon (wischt dabei eins nach dem anderen beiseite). Mit anderen Worten, gehe all diese Unterschiede durch und du wirst letztendlich feststellen, dass sie „es“ nicht sind. Und wenn wir anfangen diese Zwiebelschalen abzupellen, sie eine nach der anderen ablegen, schließlich kommen wir zum Zentrum, und wisst ihr was im Zentrum einer Zwiebel ist? Nichts. Da ist kein Zentrum, da ist nichts. Und das sind wir, Leute. Das ist leer… ohne all diese speziellen Qualitäten und all die Eigenschaften die uns voneinander unterscheiden. Diese Dinge stören mich an dir und dich an mir. Dies sind auch die Dinge die dich zu mir hinziehen und mich zu dir. 

Die Unterschiede. Aber darunter – weit, weit, weit darunter – ist von all dem nichts mehr da, es ist Null, oder leer/voll, und das ist die eine Art auf die wir alle gleich sind. Das ist der Ursprung unseres wahren Seins, das ist unser wahres Selbst, das ist unsere wahre Liebe. Es ist keine Substanz, es ist kein Ding, es ist kein Unterschied. Du liebst nicht anders als ich liebe. Liebe ist Liebe. Und, das ist es wovon Tohei Sensei spricht mit diesem „Geist des Nicht-Streitens“. Also, es geht darum durch all diese Unterschiede hindurch zu sehen. Es ist nicht, dass wir nur sagen dass wir gleich sind, denn wenn du das sagst bedeutet das, dass du zwei Dinge vergleichst und sie gleich sind. Nein, dies ist Null, Nichts, leer.

Lasst uns ein wenig Ki-Atmung machen. Schließt bitte eure Augen …

(16 Min. Ki-Atmung)

Letzten Freitag habe ich über das Ki-Testen aus der Perspektive des formellen Testens gesprochen, ShokyuChukyuJokyuShodenChudenJodenOkuden, und aus der Perspektive des Getesteten und des Testers, und was sie tun und worum es dabei geht …

Aber heute Abend möchte ich etwas anders herangehen, weswegen meine Einführung wahrscheinlich so war wie sie war. Wenn wir jemandem die Hand geben – wir können das jetzt nicht zusammen üben, aber ihr könnt das nachher mit einem Freund machen. Wie ihr wisst fängt Shinichi Sensei viele seiner Seminare gerne mit Händeschütteln an. Warum? Warum ist ihm das so wichtig? Nun, wenn wir zu jemandem die Hand ausstrecken, dann strecken wir sie aus den ganzen Weg bis in die Leere, die Unendlichkeit, denn das ist es was wir letztendlich suchen wenn wir uns umarmen, selbst wenn wir uns verbeugen, wenn wir einander halten, oder wenn wir einander die Hand geben. Das ist Verbindung. Also immer wenn wir Aikido zusammen machen, ob es ein Ki-Test ist, eine Technik, Halten, Angegriffen-werden, Schwingen, Bewegen, Tanzen, Fußarbeit, … immer wenn wir mit einer anderen Person in Beziehung sind, gehen wir in Richtung dieses leeren, unendlichen Zentrums das kein Zentrum ist. Denkt daran während des Unterrichts heute Abend. 

Ihr habt mich unterrichten hören Option A, Option B, Option C. Ich habe das natürlich von Koichi Tohei Sensei. Er sagte immer, es gibt drei Reaktionen auf jede Art von Herausforderung, oder, ich würde sagen bei jedem Zusammenkommen von Menschen. Es gibt im Grunde drei Arten wie wir damit umgehen können. Und, das ist nicht nur so mit einer anderen Person, sondern vielleicht auch mit deinem Computer, oder mit einem Tier, oder mit deinem Auto, vielleicht mit deinem Surfboard oder mit einem Fußball. 

Womit auch immer du in Beziehung bist, es gibt diese drei Optionen. Nummer Eins, wir können versuchen zu manipulieren und zu kontrollieren, diese Person oder dieses Objekt, um das Resultat zu bekommen das wir wollen. Und immer, zu unserem Leidwesen, wenn wir das versuchen ist es immer sehr frustrierend, denn auch wenn da ein verführerisches bisschen Erfolg ist, es endet immer im Desaster. Immer wenn wir versuchen die Kontrolle zu übernehmen und den Laden zu schmeißen, versuchen zu korrigieren was falsch ist, der Eine („the one“) zu sein. Diese Art von Reaktion, die niemals eine angemessene Antwort sondern immer eine Reaktion auf etwas ist, führt letztlich zu Stress und dem was wir Leiden nennen. Tatsächlich ist dies im Grunde die Quelle unseres Leidens. 

Aber es gibt noch eine andere Quelle für unser Leiden, und das ist Option B. Und die hat mit Glauben zu tun. Deswegen wird dir jeder wahre Lehrer sagen, “Glaube mir nichts. Finde es für dich selbst heraus.” Option B ist, wenn wir hoffen, glauben, dass jemand sich für uns um das Problem kümmern wird. Vielleicht ist es unsere Mutter, vielleicht sind es unsere Kinder. Außerhalb der Familie, ist es vielleicht unser Lehrer, oder die Regierung, oder vielleicht irgendein göttliches Wesen. Aber es ist immer ein Glauben, es ist eine Idee, dass da jemand kommen wird und uns davor bewahrt die Arbeit selbst tun zu müssen, aufzustehen, und sich mit einem anderen menschlichen Wesen zu verbinden. Ich sage jetzt menschliches Wesen, denn wir sprechen ja über das Ki-Testen. 

Und wenn wir schließlich erkennen, dass wir durch all die Unterschiede, die wir üblicherweise zelebrieren und über die wir uns manchmal beschweren, hindurch greifen, durch all diese Unterschiede hindurch zum Kern hin greifen, das ist es was wir „verbinden“, „wahre Verbindung“ nennen. Und das ist Option C. Wenn wir uns mit einem anderen menschlichen Wesen verbinden, dann geschieht etwas zwischen uns was niemals mit uns allein geschehen wäre. Deswegen funktioniert diese ganze Idee ins Kloster zu gehen und mit dir allein zu sein nur temporär, bestenfalls. Du musst immer wieder zurück kommen in die Stadt. Selbst in den 10 Bildern vom Ochsen und seinem Hirten kommt er wieder zurück in die Stadt. Du kommst letztlich immer wieder zur Beziehung zurück, wieder und wieder. Bis wir dann erkennen, dass wir aus dem Gleichen gemacht sind –  Tohei Sensei nennt es das “Ki des  Universums” – es ist Unendlichkeit, es ist Dieses, es ist Unendlichkeit. Und das ist es in einander, was uns zu einander hinzieht. Tamura Sensei sagte dazu „der universelle Geist erkennt sich immer selbst“. (Anm. d. Ü.: Iwao Tamura Sensei, 9. Dan Ki-Aikido)

Ich erzähle euch dazu mal kurz was: Vor vielen Jahren war ich auf einem Seminar in Portland, Oregon und Koichi Tohei Sensei hat unterrichtet. Er hat Ki-Atmung unterrichtet. Während der Pause vor dem Mittagessen hatten wir ein Treffen der Chief Instructors mit ihm. Das war in den späten 80ern. Ich war kein Chief Instructor, aber Suzuki Sensei war einer, und ich war sein otomo und so war ich auch dabei. Nun, Tohei Sensei saß am Ende des Tisches und war sehr still. Man konnte sehen, da ist was im Busch. Suzuki Sensei saß am anderen Ende des Tisches und ich saß neben ihm. Ich beobachtete Tohei Sensei, weil er ist der Chef, richtig? Aber alle anderen ließen Papiere rumgehen in Vorbereitung auf das Meeting, und unterhielten sich. Ich konnte sehen, dass Tohei Sensei immer verärgerter wurde, mehr und mehr verärgert, dass niemand aufmerksam ist. Er hatte diesen Gesichtsausdruck. Wenn du Tohei Sensei kennst und du siehst diesen Ausdruck auf seinem Gesicht, oh oh, wir haben ein Problem. Schließlich haben es alle bemerkt, sich hingesetzt und waren still. Und er beließ es noch eine Weile bei dieser Stille.

Schließlich sagte er: “Ihr versteht alle nicht den Sinn der Ki-Atmung. Ihr denkt der Sinn der Ki-Atmung steckt in dem was passiert wenn ihr ausatmet und einatmet. Das ist nicht der Sinn der Atmung. Der Sinn der Atmung steckt in dem, was zwischen dem Ausatmen und Einatmen und zwischen dem Einatmen und Ausatmen geschieht. Das ist Unendlichkeit. Das ist es was ihr nicht versteht, und deswegen kann ich euch nicht unterrichten was ich euch über Ki-Atmung unterrichten möchte.“ Wir waren alle sehr… nun, wir wussten nicht was wir sagen sollten. Das war in den 80ern. Ich praktizierte damals sehr viel die Ki-Atmung, aber verstand dennoch nicht wirklich was er meinte. Aber mit den Jahren begann ich natürlich mehr zu verstehen was er damit meinte.

Das ist es worauf ich gerade hinaus will. Das ist Option C. Es ist niemals das was offensichtlich ist. Zum Beispiel, wenn wir Kokyu Dosa im Stehen üben, du hältst die Handgelenke der anderen Person und die Idee ist, dass du dann vorwärts gehst. Und die andere Person ist einfach stabil. Natürlich, wenn die Person die Übung nicht versteht, dann könnte sie versuchen dich am laufen zu hindern. Und das passiert manchmal, selbst in unserem eigenen Dojo hier in Maui. Jedoch, wenn du dann reifer bist, dann bist du vielleicht nicht mehr dumm genug das zu versuchen. Dann stehst du einfach stabil, so dass wenn sich die Person tatsächlich mit dir verbindet, dann kann Bewegung stattfinden. Aber das Offensichtliche hier ist der physische Kontakt. Du hältst die Handgelenke der anderen Person, und die andere Person fühlt, dass du seine Handgelenke hältst. Also, was hier vor sich geht muss etwas mit den Handgelenken zu tun haben, richtig? Wir denken so, weil wir unseren Sinnen glauben, wir glauben dieser Körper ist Ein und Alles. Als ein Vehikel, ja, ist er essenziell. Denn wenn er geht, dann war’s das, er verschwindet für diese Lebenszeit. Aber das ist nicht was wir in der Mitte dieses Lebens tun. Wir greifen hindurch durch all diese Unterschiede um den Kern zu berühren, um mit der anderen Person eins zu werden. Dieses Einswerden, das ist das Universum. Das ist der Sinn dieses Universums. Das ist die Bedeutung von Unendlichkeit, von unserer Praxis.

Deswegen sind alle Übungen von Tohei Sensei um diese Erfahrung herum geschaffen, welche er Geist-Körper-Vereinigung nennt. Sie sind geschaffen um Unendlichkeit zu zeigen, um auf Grenzenlosigkeit hinzudeuten. Immer wenn er eine Stunde Aikido unterrichtete, als er jünger war und sich noch leicht bewegen konnte, dann wollte er dass du ihn an einem Ort festhältst, und dann zeigte er dir all die verschiedenen Richtungen und Orte an die er sich bewegen konnte wo du ihn nicht festhältst, und das hat ihm viel Spaß gemacht. Er wollte immer zu dem Punkt kommen an dem wir verstehen, dass es keine Limitierungen gibt, und dass wenn da eine wäre, wir diese uns selbst auferlegen.

Nun, hier ist die Ironie, und das erinnert mich an meine Stimmbänder, die heutzutage nicht mehr so gut funktionieren. Wenn wir älter werden, nun, Dinge gehen kaputt. Meine Tochter sagte „Dad, in dir zerfällt es.“ Wenn du älter wirst funktionieren die Dinge nicht mehr so gut. Einige von euch werden älter, also wisst ihr das. Letztendlich, natürlich, hören sie ganz auf zu funktionieren, und wir nennen das „sterben“. Aber das Gute, das Wunderbare daran ist, wenn du älter wirst und dir diese Dinge nicht mehr die  Genugtuung wie früher verschaffen… andere Erfahrungen übernehmen den Vorrang. Wenn deine flüssige Bewegung, und deine super Gesundheit, und deine Schmerzfreiheit… während diese langsam schwinden, beginnt irgendwie dieser Kern, diese unendliche Leere im Inneren, einen immer größeren und größeren Einfluss auszuüben. Und so, wenn du etwas wie Aikido machst, verändert sich vollständig wie du das tust, wie du mit anderen Menschen interagierst, und als was du Bewegung und Interaktion siehst.

Also, ist Altwerden etwas Schlechtes? Oder ist Altwerden etwas Gutes?

Okay, vielleicht lass ich mal jemand anderen sprechen.

Schüler:  Danke für deine Worte. Vielleicht erinnerst du dich, als ich vor einer Weile einige Gedanken teilte. Ich sagte, dass da etwas ist was mir mit dir sehr gut gefällt, dieses Fehlen einer Lackierung, dieses Fehlen von… Ich sagte ich habe dieses Gefühl einer direkten Verbindung, und ich sah nicht mehr den Amerikaner in dir. Erinnerst du dich daran, dass ich das gesagt habe?

Sicher erinnere ich mich daran, natürlich.

Schüler: Und ich machte einen Vergleich mit ein paar anderen Leuten die mit dir reisten, und sagte dass ich nicht anders kann als die sozialen und kulturellen Aspekte zu sehen wenn ich mit ihnen interagiere, aber das sehe ich sehr oft nicht mit dir, oder ich sehe das gar nicht bei dir. Und ich sagte, das ist für mich eine sehr schöne Erfahrung, das ist eine sehr interessante und anziehende Sache.

Und ein anderer Punkt über den ich nachdachte während ich dir heute Morgen zuhörte, ist dass was du sagtest fast politisch ist, weil – und natürlich ist Politik die relative Welt. Wenn man an die UNO denkt und an die Werte, die dieser Organisation zugrunde liegen, und dass diese Organisation bezweckt alle Menschen auf der Erde zusammen zu bringen, und gemeinsame Wege zu haben zusammen zu sein. Ich dachte, dass auch dieses Element in dem ist was du gesagt hast, denn es gibt viele Menschen auf der Erde, denen die Idee der UNO nicht gefällt, und die große Anstrengungen unternehmen gegen sie zu gehen.

Ja, ich erinnere mich daran. Das hat natürlich mehr mit dir zu tun als mit mir. Das sind sehr gute Neuigkeiten, dass du das sehen kannst, auch wenn es nur in mir ist, und nicht so sehr in anderen. Ich beziehe mich darauf was du zuerst gesagt hast… 

Und das ist es worum es Tohei Sensei ging, das ist alles was er all die Jahre unterrichtet hat. Er wollte einfach, dass wir diese unendliche Bewegung in uns und durch einander hindurch erfahren. Alles war da herum gestaltet. Natürlich ist das nicht immer offensichtlich erkennbar. Zum Beispiel, du könntest denken, dass die Oneness Rhythm Taiso nicht da herum entworfen ist. Du könntest das denken – ich habe sowas schon gehört – aber sie baut vollständig darauf, denn ohne wahre Verbindung, ohne wahre Körper-Geist-Vereinigung, kannst du die Oneness Rhythm Taiso nicht richtig praktizieren. Du führst sie vielleicht perfekt vor, der Form nach, aber ohne diese Einheit während der Bewegung in deinem Geist-Körper zu erfahren… dann ist es das nicht. Nichts ist. Mit allem ist das so.

Hinter jedermanns Gesicht ist das, hinter dem Vorhang all deiner Besonderheit, all deiner Unterschiede, all deiner Einzigartigkeit, all der Dinge die wir schätzen und an denen wir festhalten, da hinter ist genau die Verbindung nach der wir suchen. Es ist die ultimative Qualität die wir in einander erkennen. Wir mögen denken es sind diese schönen Ohren und die Form deines Kopfes und diese schöne römische Nase die du hast, aber das ist nicht was mich wie dich macht. Ich könnte das denken, aber tatsächlich ist es nicht das was mich so fühlen lässt wie ich fühle. Das ist nicht was die Verbindung zwischen uns macht. Unsere Nasen haben nichts mit dieser Verbindung zu tun; unsere Ohren, unsere Körperteile, selbst ob wir männlich oder weiblich sind, diese Dinge haben letztendlich keine Bedeutung. Wir müssen bedenken, wie viel Bedeutung wir Unterschieden beimessen. Wir verbringen unser ganzes Leben diese Unterschiede liebend und zelebrierend, und diese Unterschiede fürchtend und hassend. Das verfehlt den Sinn. Es verfehlt den Sinn. Der Sinn sind nicht die Unterschiede.

Ich sage nicht, dass du jemandes Schönheit nicht schätzen darfst, oder deren Kultur, zum Beispiel, deren kulturelle Praktiken. Ich sage nicht, dass du das nicht mit ihnen gemeinsam schätzen und feiern darfst. Das können wir. Das machen wir. Nur vergiss  dabei nicht zu bemerken, was tatsächlich zwischen mir und dir geschieht. Ja, wir ehren einander aus all diesen Gründen. Und nein, wir hassen nicht. Aber wenn wir aneinander wirklich Gefallen finden, dann vergiss nicht zu bemerken, vergiss nicht dahinter zu schauen, dahinter, dahinter. Und dieses dahinter ist unendlich.

Schüler:  Vielen Dank, Sensei.

Jemand anderes, bitte.

Schüler:  Hi, Sensei. Nun, weisst du, in unserem Kreis denken wir vielleicht, dass wir es hinter uns gelassen haben – wie auch immer man es nennen möchte – diese physischen Unterschiede zwischen uns als wahre Unterschiede oder als wichtige Unterschiede zu sehen. Aber wenn es darum geht, die Welt zu verstehen, Weltanschauungen und solche Dinge, dann wird es meiner Meinung nach ein bisschen schwieriger, wird es ein bisschen verzwickter, nicht wahr. Wir können sehr kritisierend sein, zumindest ich kann, bezüglich jemand der eine andere Weltsicht hat als ich. Nun, ich dachte vielleicht möchtest du das kommentieren.

Nun, vielleicht, zum Beispiel, sprichst du über ISIS. Das ist eine seltsame Weltsicht.

Schüler: Das ist ein gutes Beispiel. Natürlich gibt es subtilere überall um uns herum. Aber ja, das ist gut.

Ja, es gibt wahrscheinlich so viele Weltsichten wie es Menschen auf der Erde gibt. Und es gibt allgemeine, sicherlich, wie ISIS und andere Gruppen. Aber lasst uns daran denken, dass das was wir an ISIS nicht mögen der Fakt ist, dass sie genau wie wir sind, im Prinzip, auch sie versuchen ihre Weltsicht zu verbreiten, die Weltsicht von allen anderen zu verändern. Das ist was sie machen. Und ihre Methoden mögen wir auch nicht. Aber der Hauptpunkt ist, dass wir es nicht mögen berichtigt zu werden. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Mohammed das nicht wusste. Ich bezweifle es sehr, dass es das für eine gute Art und Weise gehalten hat. Aber Menschen lieben es, das zu versuchen. Wir haben alle diese gleiche Krankheit. Wir alle wollen andere überzeugen, es so wie wir zu sehen.

Dies ist wieder, für mich, diese Sache von der Oberfläche von etwas geblendet zu sein, von dem was wir sehen, was wir hören, und was wir wahrnehmen wenn wir auf etwas oder jemanden treffen, wenn wir einer Sichtweise begegnen.

Was fühlen wir, wenn wir etwas berühren? Fühlen wir einen Körper? Das ist nicht wirklich was wir fühlen. Selbst ein Physiker wird dir das sagen, dass du nicht einen Körper fühlst. Also was fühlst du da, wenn du jemanden hältst? Was hörst du wenn jemand spricht? Wovon wirst du aufgewühlt wenn du über einen Unterschied nachdenkst, eine andere Sichtweise, eine andere Perspektive, pro oder kontra? Wir sind gefangen in dem Unterschied: vielleicht wertschätzen wir ihn sogar als unglaublich schön, oder wir sind vielleicht fürchterlich verstört davon.

Tohei Sensei unterrichtete uns in positivem Denken, über die Beziehung von yin und yang, über diesen Konflikt der hier vor sich geht. Inmitten all dieses Konfliktes wollen wir einen positiven Geist haben. Also was ist ein positiver Geist? Ist es nur die positive Seite der Dinge zu sehen? Das hörst du oft von Leuten im Aikido, dass ein Plus-Gleist bedeutet, die guten Seiten der Dinge zu sehen. Ja, vielleicht auf einem sehr grundlegenden Niveau, bedeutet es dass das eine gute Wahl ist, Plus anstatt Minus. Wenn du eine 50-50 Chance hast, nimm immer die positiven 50 Prozent. Es ist gut so zu handeln. Jedoch, “Plus-Geist” bedeutet, durch all das hindurch zu sehen. Wie Tohei Sensei sagt, dann müssen wir nicht nervös oder erregt werden in unseren täglichen Angelegenheiten. Dies sind zwei entgegengesetzte Enden der Fahnenstange, aufgeregt und dann begeistert, aber sie sind eigentlich das gleiche. Sie bedeuten gefangen zu sein von den Unterschieden die wir sehen, hören, schmecken, riechen, berühren. Und vergessen, dass das eine Maske ist, dass das eine Darstellung ist, eine physische Verkörperung, denn das ist es was wir benötigen um zu verstehen. Aber versteht. Ja, zelebriert … aber versteht. 

Es ist sehr schwierig, nicht wahr, was wir derzeit durchmachen mit unseren besonderen administrativen Führern derzeit in diesem Land. Das kann sehr schwierig sein. Aber es ist eine gute Gelegenheit um hinschauen zu lernen. Wisst ihr, wir machen Witze, und das hilft; Humor hilft dich nicht zu negativ zu fühlen, nicht zu hassend, dich mehr positiv zu fühlen. Aber am besten ist es, da hindurch zu schauen, und zu sehen, und sagen zu können: “Selbst Mr. Trump bin ich.” Das kann ein ziemlich furchteinflößender Gedanke sein, und deshalb schieben wir ihn beiseite. Da wollen wir nicht hingehen, weil der Unterschied anscheinend so überwältigend ist. Er ist für jeden von uns offensichtlich, ja. Aber genau das ist die Illusion.

Christophe sprach an, das dies auf eine Art politisch ist, aber ich bin an Politik nicht interessiert. Ich meine nichts von alldem als politische Meinung oder Kommentar, oder als irgendeine Sichtweise oder Philosophie oder so. Das wäre beim weitem zu beschränkend. Es ist viel wichtiger als das, es ist viel grundlegender. Es geht darum, miteinander auf eine sehr intime und persönliche Art zu leben. Wenn wir lernen das zu tun, dann ist auch für unsere Gesellschaft gesorgt.

Wenn wir nicht durch unsere Unterschiede hindurch sehen können, dann ist alles unecht. Es ist einfach unecht. Wenn wir das nicht sehen, dann täuschen wir alles nur vor. Zugegeben, die meisten Menschen auf der Welt täuschen nur vor. Es ist eine Erzählung die wir leben. Ein Drama. Wir alle machen das. Aber unsere Praxis ist zu bemerken, hindurch zu sehen, tiefer und tiefer zu erkennen was das ist, das hinter dem steckt wie wir sind.

Schüler: Vielen Dank, Sensei.

Jemand anderes, bitte.

Schüler:  Hi, Sensei. Es ist manchmal schwierig, weil wir bewerten wenn wir versuchen diese Verbindung zu erreichen. Und wir wollen wegkommen von diesem bewertenden Geist, um diesen Bewusstseinszustand zu erreichen oder nicht zu erreichen, und in unserer Praxis geht es mehr um Gewohnheiten in unserem Unterbewusstsein. Ist das das Ziel, durch die Wand hindurch oder dahinter zu sehen, wonach unser Unterbewusstsein suchen oder hindurch sehen könnte? 

Das ist eine interessante Frage. Tohei Sensei sagt, das Material im unterbewussten Geist kommt aus dem bewussten Geist. Mit anderen Worten, wir tun die Dinge selbst in unseren unterbewussten Geist, Stück für Stück. Wir haben auf keine andere Art Zugriff auf unseren unterbewussten Geist. So funktioniert das.  

Also, ob wir bemerken, die Frage stellen, in diesem Moment schauen oder nicht, dann bestimmt das die Natur dessen was in unser Unterbewusstsein geht. Wenn ich dich gerade jetzt ablehne, und es dem Unterschied gestatte, was auch immer er sein mag, mich auf irgend eine Art überlegen oder unterlegen oder negativ oder nervös oder hasserfüllt fühlen zu lassen, dann ist es das was ich in meinen unterbewussten Geist stecke. Denk daran, wir praktizieren immer. In jedem Moment praktizieren wir etwas. Also, wenn wir so bewerten, wenn wir diese Reaktion haben, dann ist es das was wir praktizieren. Mit anderen Worten, das ist es was wir in unseren unterbewussten Geist stecken. So konditionieren wir unseren Geist. Der unterbewusste Geist ist eigentlich der konditionierte Geist. Also morgen, wenn ich dich wieder sehe, wird das wieder aus meinem unterbewussten Geist auftauchen. Aber falls, wenn ich dich sehe und so etwas passiert, ein Unterschied oder eine Störung, wie auch immer, ich bemerke einfach was geschieht, und durch dieses Wahrnehmen, dann wird das was ich in meinen unterbewussten Geist stecke in einem Zustand sein von erkunden, fragen, bemerken, schauen, lernen, offen sein. Verstehst du? Und dann, das nächste mal wenn ich dich sehe, rate was dann hoch kommt? Interesse. Ahh, sehr interessant. Ich möchte wissen um was es hier geht mit dieser Person. 

So konditionieren wir uns selbst. Wir haben diese Chance, wenn wir das Bemerken wirklich praktizieren, die Natur unseres konditionierten, unterbewussten Geistes zu verändern, so dass mehr und mehr, über die Jahre, Tropfen um Tropfen um Tropfen – Tohei Sensei sagte immer wie einen Tropfen Wasser in eine Tasse Tee – Tropfen um Tropfen, wird er klarer und klarer und klarer. Offener, offener, offener, weniger bewertend wie du sagst. So dass, ja, der unterbewusste Geist hat einen großen Einfluss darauf wie wir die Dinge wahrnehmen. Das müssen wir bemerken.

Ich spreche darüber als das was hinter dem steckt was geschieht, was darunter liegt. Wir müssen sehen was darunter ist. Also in diesem Sinne sage ich, wir müssen bemerken was aus unserem unterbewussten Geist hochkommt. Wir müssen bemerken, was wir da reingesteckt haben, das uns nun kontrolliert und uns die Dinge auf eine bestimmte Art sehen lässt. Wenn wir erst einmal so praktizieren, dann wird es jeden Tag besser und besser und besser.

Schüler: Vielen Dank, Sensei.

Das ist immer alles wovon ich sprechen kann. Okay, wir haben noch 5 Minuten.

Schüler: Sensei. Es ist eine Art Frage die ich hoffentlich korrekt stellen kann. Es ist ein Prozess wovon du sprichst, und aufmerksam zu sein, ich frage mich, sagen wir mal… ich möchte mich daran machen diese Schichten abzupellen… Schichten wie sich korrekt verhalten zu müssen, sich politisch korrekt zu verhalten, wir versuchen korrekt zu sein. Viele von uns tun das, vielleicht nicht alle von uns. Aber ist das wirklich eine gute Art diese Schichten abzupellen? Oder sollte ich einfach ehrlich der Hurensohn sein der ich bin, und mir das dann ganz genau anschauen?

Okay, also es ist kein Entweder-oder, nicht auf die eine Art oder die andere. Diese beiden sind letztlich das gleiche. Ob du versuchst ein „braver Junge“ oder ein „böser Junge“ zu sein. Ob du nun versuchst gut zu sein und alles auf die Art zu tun wie es die politisch korrekte Masse von dir möchte, oder ob du es einfach alles raus hängen lässt. Keins davon ist wirklich praktizieren, das ist was ich sagen will. Praktizieren heisst, wahrzunehmen was in jedem Moment aufkommt. Es bedeutet nicht, zu versuchen die richtigen Dinge zu sagen oder auf die richtige Art zu sein. Einfach wahrnehmen. Am Anfang, wenn dein unterbewusster Geist mit Unsinn gefüllt ist, dann wirst du immerzu auch nur Unsinn ausspucken, bis du anfängst wahrzunehmen. Und dann wird dein unterbewusster Geist anfangen sich zu verändern. 

Weisst du, es funktioniert so – du in deinem Fall hast ja nun schon eine Weile praktiziert. Daher kannst du dem Universum, von dem du das Zentrum bist, vertrauen. Du kannst dem vertrauen. Du kannst einfach wahrnehmen und es wird okay sein. Am Anfang, wenn die Menschen ihr Training beginnen, vertrauen sie dem nicht. Die schwierigste Sache ist zu vertrauen, dass du nicht irgendetwas Dummes sagen wirst.  Wir alle haben diese Etikette zu befolgen. Wir zeigen dir was es heisst ein „braver Junge“ zu sein, ein „braves Mädchen“ zu sein. Und das machst du so eine Weile bis du lernst es zu lieben, bis du dann bemerkst, ohh, es ist ja einfach nur aufmerksam sein auf das was bereits ist. Es ist nicht so, dass mir andere Menschen nicht egal sein sollten, sie sind mir einfach nicht egal. Tatsächlich stammen die negativen Gefühle, die ich über andere Menschen habe, aus meinem unterbewussten Geist. Sie kommen davon, dass ich irgendwann in der Vergangenheit Unsinn in meinen unterbewussten Geist gepackt habe. Denn wenn du all das Zeugs abpellst, dann ist natürlich Liebe alles was übrig bleibt. Das ist es was da ist. Das ist es was hinter allem steckt. Nun, es wird wird freilich nicht zu 100% sofort so sein, denn es hat eine lange Zeit gebraucht all das in deinem unterbewussten Geist aufzubauen. Also wird es dafür ein bisschen Zeit brauchen sich zu entspannen, vertrauenswürdig zu werden, wahr zu werden. Deshalb praktizieren wir auf diese Art zusammen. Ich versuche wirklich nur zu betonen was wir alle die ganze Zeit schon wissen und fühlen, und uns alle zu ermutigen eine tiefe Aufmerksamkeit zu haben für das Zentrum des Universums, für die Unendlichkeit, für die Liebe, für tiefes Mitgefühl. Nicht dass du das solltest. Sondern so ist es einfach, dun du fühlst es bereits, also nimm das wahr. Nimm es wahr. Dann ist das deine Praxis. Okay?

Vielen Dank euch allen. Ich sehe euch am Sonntag. 

(Online Training mit Christopher Curtis Sensei vom 15. Mai 2020, Übersetzung: Olaf T. Schubert)